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Die Ära der Sanktionskriege

Berlin und Brüssel suchen nach Gegenmaßnahmen gegen extraterritoriale US-Sanktionen, wie sie die Regierung Trump zunehmend verhängt ‒ unter anderem gegen Kuba

Bei den extraterritorialen Sanktionen handelt es sich um einseitig beschlossene Boykottmaßnahmen, die die US-Regierung weltweit durchzusetzen versucht, um auch andere Staaten inklusive ihrer Verbündeten auf ihren außenpolitischen Kurs festzulegen. Prominentestes Beispiel sind die Iransanktionen, die unter anderem das Irangeschäft deutscher Unternehmen weitgehend unmöglich gemacht haben. Extraterritoriale Sanktionen hatte Washington bereits Mitte der 1990er Jahre erstmals in Kraft gesetzt, sich dann aber mit der Europäischen Union (EU) geeinigt, sie nicht gegen Firmen aus Europa einzusetzen. Dies hat die Obama-Administration geändert und milliardenschwere Strafen von Banken aus der EU eingetrieben. Die Trump-Administration dehnt die extraterritorialen Sanktionen nun auf Russland und Kuba aus. Regierungsberater aus Berlin schlagen nach dem Scheitern des Finanzvehikels INSTEX juristische Schritte vor US-Gerichten vor. Diskutiert werden darüber hinaus "asymmetrische Gegenmaßnahmen".

Extraterritoriale Sanktionen unter Clinton...

Mit extraterritorialen Sanktionen hatte Washington bereits in den 1990er Jahren versucht, seine westlichen Verbündeten unilateral auf seine außenpolitische Linie festzulegen. Damals verhängte die Clinton-Administration Sanktionen gegen Kuba, Irak, Iran sowie Libyen, die es US-Bürgern und -Unternehmen selbst dann untersagten, Geschäfte mit diesen Ländern zu machen, wenn sie über in US-Besitz befindliche Ableger außerhalb der Vereinigten Staaten abgewickelt wurden. Darüber hinaus sollten auch im Ausland hergestellte Waren nicht mehr in die genannten Länder ausgeführt werden dürfen, sofern sie einzelne US-Bauteile enthielten. Als schärfste Ausformung galt damals der "Helms-Burton-Act", der am 12. März 1996 mit der Unterzeichnung von US-Präsident William Clinton in Kraft trat und das Embargo gegen Kuba weiter zuspitzte. Die US-Maßnahmen führten damals zu einem heftigen Streit nicht zuletzt mit der EU, die noch 1996 ihr Blocking Statute verabschiedete; es verbietet es Unternehmen, die in der EU ansässig sind, bei Strafe, den Sanktionen von Drittstaaten Folge zu leisten. Zu einer echten Kraftprobe zwischen der Union und den USA kam es damals allerdings noch nicht: Schon 1998 erklärte sich Washington zum Einlenken bereit und sagte zu, keine Schritte gegen Firmen aus der EU einzuleiten.

..., unter Obama und unter Trump

In größerem Maßstab wirklich durchgesetzt hat Washington extraterritoriale Sanktionen erst unter der Präsidentschaft von Barack Obama. Im Jahr 2010 leiteten mehrere US-Stellen, darunter das Justizministerium, Untersuchungen gegen ausländische Banken ein, denen sie Verstöße gegen die unilateral verhängten Iran-Sanktionen der Vereinigten Staaten vorwarfen. Ein Prozess gegen die Commerzbank endete im Jahr 2015 damit, dass das deutsche Kreditinstitut 1,45 Milliarden US-Dollar in einem Vergleich zahlen musste: Es hatte Geschäfte mit der iranischen Staatsreederei IRISL Group getätigt.1 Die französische BNP Paribas verlor in einem ebensolchen Verfahren sogar 8,9 Milliarden US-Dollar. Die damaligen Erfahrungen haben dazu geführt, dass sich deutsche Unternehmen nach der erneuten Verhängung der US-Sanktionen durch die Trump-Administration umgehend aus Iran zurückzogen; diese Maßnahmen haben genauso wie diejenigen unter Obama extraterritoriale Wirkung.2 Die Trump-Administration ist mittlerweile dazu übergegangen, extraterritoriale Sanktionen, die ebenfalls deutsche Firmen treffen, auch gegen Russland zu verhängen. Deutsche Wirtschaftskreise sprechen von Milliardenverlusten 3).

Helms-Burton Act, Abschnitt III

Washingtons jüngster Schritt liegt zwei Monate zurück. Am 2. Mai trat Abschnitt III des "Helms-Burton Act" in Kraft, den seit der Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 1996 alle US-Präsidenten wegen der internationalen Proteste regelmäßig ausgesetzt hatten. US-Präsident Donald Trump hatte zu Jahresbeginn angekündigt, mit dieser Praxis zu brechen. Abschnitt III sieht vor, dass US-Bürger das Recht haben, US-amerikanische, aber auch ausländische Unternehmen zu verklagen, wenn sie Liegenschaften nutzen, die vor der kubanischen Revolution US-Amerikanern gehört hatten und nach der Revolution verstaatlicht wurden. Erste Klagen gegen Firmen aus der EU sind inzwischen eingereicht worden. So haben die Erben eines einstigen Grundbesitzers, dessen kubanische Liegenschaften enteignet worden waren, kürzlich den spanischen Hotelkonzern Meliá verklagt, der auf den enteigneten Grundstücken - in voller Übereinstimmung mit kubanischem Recht - Hotels betreibt. Weil die Klage in Spanien eingereicht wurde, basiert sie juristisch nicht auf dem Helms-Burton Act; doch ziehen die Anwälte ihn zur argumentativen Begründung ihres Anliegens explizit heran.4 Darüber hinaus haben zwei Nachkommen einer Familie, der vor der Revolution ein Hotel auf Kuba gehörte, gegen die Hotelsuchmaschine Trivago geklagt. Trivago - mit Sitz in Düsseldorf - hatte Zimmer in dem Hotel vermittelt, das ebenfalls enteignet worden war und heute rechtmäßig von Meliá betrieben wird. Die Klage gegen Trivago ist in Florida eingereicht worden; sie basiert auf dem "Helms-Burton Act".56

"Völkerrechtswidrig"

Die EU hat inzwischen in mehrfacher Hinsicht Gegenmaßnahmen angekündigt. Von Abschnitt III des "Helms-Burton Act" ist sie mutmaßlich am stärksten betroffen: Unternehmen aus der Union haben (Stand: 2017) rund eine halbe Milliarde Euro in Kuba investiert - mehr als jeder andere Investor. Dabei handelt es sich vorwiegend um Unternehmen aus Spanien und Frankreich; wie das Beispiel Trivago zeigt, können dennoch auch deutsche Firmen vor Gericht gestellt werden. Zur Inkraftsetzung von Abschnitt III heißt es in einer EU-Erklärung: "Die EU vertritt die Auffassung, dass die extraterritoriale Anwendung einseitiger restriktiver Maßnahmen völkerrechtswidrig ist".7 Die scheidende EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat in Aussicht gestellt, man werde "auf alle geeigneten Maßnahmen zurückgreifen", um Unternehmen aus der EU zu schützen. Das freilich hatte Brüssel auch schon nach der erneuten Verhängung der extraterritorialen US-Iran-Sanktionen geäußert und das Blocking Statute von 1996 wieder in Kraft gesetzt - ohne Erfolg: Bislang ist es keinem deutschen Unternehmen gelungen, mit Hilfe dieser Verordnung extraterritoriale Sanktionen abzuschütteln. Als wirkungslos hat sich darüber hinaus der Versuch erwiesen, die US-Maßnahmen mit Hilfe von INSTEX unschädlich zu machen, eines nach Art einer Tauschbörse wirkenden Finanzvehikels, das ursprünglich helfen sollte, das Iran-Geschäft von Unternehmen aus der EU zu bewahren. Der Versuch gilt als gescheitert.8

Auf dem Rechtswege

Berliner Regierungsberater machen Druck. Die EU müsse "beginnen, Instrumente zu schaffen, die sie langfristig gegen extraterritoriale Sanktionen schützen", hieß es etwa Mitte Mai bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dies sei "nötig, wenn das Streben nach einer strategischen Autonomie Europas ernstgemeint" sei.9 Letztlich gehe es im Konflikt um die extraterritorialen Sanktionen um "die außenpolitische Handlungsfähigkeit Europas". Auf der Suche nach Wegen, das Vorgehen der Trump-Administration auszuhebeln, rät die SWP dazu, nicht nur politische Mittel zu nutzen, sondern auch juristische - "vor US-Gerichten". "Auf dem Weg hin zu mehr strategischer Autonomie gegenüber der US-Regierung sollten europäische Entscheidungsträger" sich auch "auf die US-Rechtsprechung" stützen, heißt es in einer aktuellen Studie des vom Bundeskanzleramt finanzierten Think-Tanks: "Praktisch bedeutet das, in der EU ansässige Unternehmen systematisch zu ermutigen und dann auch dabei zu unterstützen", die extraterritorialen Sanktionen in den USA juristisch anzufechten.10 Voranpreschen könnten dabei "staatsnahe Unternehmen wie die EIB oder INSTEX".

Außenpolitikexperten treiben die Debatte mittlerweile weiter und schlagen neben Bemühungen um eine Stärkung des Euro auch "asymmetrische Gegenmaßnahmen" gegen die USA und den Start eines "internationalen Dialogs" über Sanktionen vor. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.