Gewerkschaftliche Organisation im Bananensektor in Ecuador: "Wir müssen den Kampf vereinen"

Weder Regierungen noch Unternehmen haben ein Interesse daran, die Umstände der Arbeiter grundsätzlich zu ändern

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Protestaktion der Astac in Ecuador
Protestaktion der Astac in Ecuador

Der Bananensektor ist einer der Bereiche der Lebensmittelproduktion, in dem Arbeitende am stärksten ausgebeutet werden. Schlechte Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsbedingungen prägen den Alltag vieler Arbeitenden. Die Lateinamerika Nachrichten sprachen mit Jorge Acosta, dem Gründer der Gewerkschaft Asociación Sindical de Trabajadores Agrícolas y Campesinos (Astac) über die aktuelle Lage von Gewerkschaften und ihren Herausforderungen.

Wie kam es dazu, dass Sie die erste Gewerkschaft der Bananenbranche gegründet haben?

Es wurden mehrere Gesundheitsprobleme festgestellt, die auf den Einsatz des Pestizids Mancozeb zurückzuführen sind. Viele Menschen klagten über Kopfschmerzen, Herzrasen und Schwindelgefühl.

Als sich diese Nachricht international verbreitete, begannen wir, uns zu treffen und über die schlimme Ausbeutung der Arbeiter und die Menschenrechtsverletzungen im Bananensektor zu diskutieren.

Dies motivierte uns zur Gründung einer Gewerkschaft. Jedoch wurden die Arbeiter von den Unternehmen an der Registrierung behindert. Auch die Anzahl der Beschäftigten, die für die Gründung einer Gewerkschaft erforderlich ist, stellte ein großes Hindernis dar. Die Mindestzahl beträgt 30 und es gibt viele Plantagen mit weniger als 15 Beschäftigten. Unser Antrag auf Registrierung blieb erfolglos.

Ursprünglich umfasste die Koordination der Bananenarbeiter auch nur die Beschäftigten aus Quevedo und Buena Fe1. Es war nicht leicht, die Arbeiter von der Notwendigkeit eines Gewerkschaftsbeitritts zu überzeugen. Viele von ihnen hatten negative Erfahrungen gemacht.

Sicherlich hat die Aufmerksamkeit einiger internationaler Medien über die Gesundheitsrisiken dazu beigetragen, dass sich mehr Beschäftigte dem gewerkschaftlichen Kampf anschlossen. Auch besuchte uns 2010 die UN-Sonderberichterstatterin Gulnara Shahinian, mit der wir über die heutigen Formen der Sklaverei sprachen, die die Arbeiter tagtäglich erleben.

Wie haben die Politik und die Unternehmer:innen reagiert?

Ein Bericht der ecuadorianischen Tageszeitung Expreso befasste sich mit allen Problematiken im Bananensektor, von der Ausbeutung der Arbeitskräfte bis hin zum Einsatz von Pestiziden. Dazu wurden auch das Landwirtschaftsministerium und der Geschäftsführer des Verbandes der Bananenexporteure Eduardo Ledesma, befragt. Beide bestritten die Arbeitsrechtsverletzungen und beschuldigten uns, dem Bananengeschäft schaden zu wollen. Sie leugneten auch die Behinderung der Vereinigungsfreiheit und der Gewerkschaftsrechte.

Unser Anliegen war es immer, die direkten Zeugnisse der Beschäftigten vorzubringen. Doch die Unternehmen suchten verschiedene Wege, um uns zu verfolgen.

Im Jahr 2014 wurde uns erneut die Registrierung verweigert und wir reichten eine Beschwerde bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ein. Anfang 2017 forderte die ILO die ecuadorianische Regierung auf, die Gewerkschaft zu genehmigen. Die Regierung des damaligen Präsidenten Lenín Moreno verweigerte uns erneut dieses Recht, da sein Arbeitsminister Raúl Ledesma der Sohn des berühmten Geschäftsführers der Verbandes der Bananenexporteure ist.

Erst 2021 wurden wir endlich als Gewerkschaft registriert, nachdem wir wegen der Missachtung unseres Rechts auf Vereinigungsfreiheit geklagt hatten und der Fall vor das Provinzgericht kam.

Welche Ergebnisse haben Sie bisher erzielt?

Dank unserer ersten Beschwerde, die wir bei der Ombudsstelle eingereicht haben, wurde bekannt, dass 70 Prozent der Beschäftigten in der Bananenproduktion nicht sozialversichert waren. Daher entwickelte die Regierung eine Kampagne für die Mitgliedschaft. Der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder stieg enorm an, auch wenn die Regierung dies niemals als Gewerkschaftserfolg anerkennen wird.

Was die Besprühung angeht, so hat die Regierung ein Verbot von Mancozeb ausgesprochen. Auch wenn dieses Verbot nur ein Jahr Bestand hatte, wurden wichtige Vorschriften für den Einsatz von Pestiziden beschlossen, die es vorher nicht gab. Wir haben auch erreicht, dass ein Handbuch für die Bananenindustrie zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz erstellt wurde.

Wie sieht aktuell die Lage des gewerkschaftlichen Kampfes aus?

Die Bananenunternehmen haben ihre eigene Gewerkschaft Sinutrabe (Nationale Gewerkschaft der Bananenarbeiter) gegründet. Die einzige Gewerkschaft, die es vorher gab, war die des Unternehmens Dole.

Astac wächst und hat inzwischen mehr als 3.000 Mitglieder.

Vor kurzem haben wir eine Gewerkschaft für ein Unternehmen namens Otisgraf angemeldet. Es gehört zu dem großen, deutschen Familienunternehmen Anton Dürbeck.

Außerdem sind wir dabei, die Gewerkschaft in den Unternehmen von der Familie Noboa2 neu zu organisieren. Diese haben alle gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten entlassen. Auch ich wurde verhaftet und der Richter versuchte, mich wegen Verletzung der Privatsphäre vor Gericht zu bringen. Zusammen mit anderen Astac-Mitgliedern erhielten wir Morddrohungen.

Wie sind die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen?

Seit wir den Kampf begonnen haben, gibt es keine wirkliche Veränderung, Arbeiter werden immer noch ausgebeutet. Von Guatemala bis Ecuador ist die Ausbeutung in diesem Sektor gut dokumentiert. Es gibt zwar kleine Verbesserungen, aber weder die Regierungen noch die Unternehmen haben ein Interesse daran, die Umstände der Arbeiter grundsätzlich zu ändern

Wir fordern, dass die Bananenarbeiter zunächst einen lebenswürdigen Lohn bekommen. Die Menschen im Bananensektor arbeiten 10, 12, 14 Stunden pro Tag, fünf oder sechs Tage in der Woche und sie verdienen einen miserablen Lohn. Die Grundversorgung einer Familie für ein menschenwürdiges Leben liegt bei etwa 800 Dollar im Monat, der Grundlohn der Bananenarbeiter bei 460 Dollar.

Auch alleinerziehende Mütter werden im Diskurs nicht berücksichtigt. Viele von ihnen haben drei, vier Kinder und leisten unbezahlte Arbeit zu Hause. Wenn sie arbeiten gehen, lassen sie ihre Kinder zurück und überlassen die Betreuung deren älteren Geschwistern. Wir betrachten dies als eine neue Form der Kinderarbeit. Deswegen sind die Unternehmen verpflichtet, eine Kindertagesstätte einzurichten, wenn sie mehr als 50 Beschäftigte haben.

Es gibt aber auch sporadische Kinderarbeit auf den Plantagen, da sie als ein möglicher Beitrag zur Wirtschaft der Bauernfamilie betrachtet wird.

Gibt es einen Unterschied zwischen den konventionellen Plantagen und Fairtrade-Plantagen?

In Hinblick auf die Gesundheitsrisiken sind Fairtrade-zertifizierte Plantagen sorgfältiger als konventionelle Plantagen, da sie keine Pestizide oder Schädlingsbekämpfungsmittel verwenden. Die Arbeitsrechte werden aber weiterhin verletzt. Die Fairtrade-Siegel kümmern sich nicht darum und haben oft eine gewerkschaftsfeindliche Tendenz in sich.

Auf den Plantagen setzt Fairtrade ein Komitee von Arbeitern ein, die von den Unternehmen selbst ausgewählt werden. Wenn es zu Kontrollen kommt, bereiten sie ihre Leute darauf vor, was sie zu sagen haben. Das ist ein großes Problem für die Zertifizierer.

Sind Sie seit dem Ausnahmezustand in Ecuador mit anderen Auswirkungen der Unsicherheit konfrontiert?

Unsicherheit ist ein soziales Problem. In einem Staat mit einem hohen Maß an Armut und Prekarität haben die Drogenkartelle keine Schwierigkeiten, Menschen zu finden. Ein Beschäftigter des Unternehmens Noboa, dem gekündigt wurde, weil er eine Gewerkschaft gegründet hatte, fiel in die Hände von Kriminellen. So ergeht es vielen Arbeitern, die entlassen werden oder ihren Arbeitsplatz verlassen, weil sie ihre Rechte einfordern. Die Unternehmen setzen diese Arbeiter auf schwarze Listen, damit sie keine Arbeit mehr bekommen.

Gibt es einen Unterschied zwischen den Aufgaben von Männern und Frauen auf den Plantagen?

Frauen, die insgesamt 15 Prozent der Beschäftigten in der Bananenindustrie ausmachen, werden in den Unternehmen immer noch diskriminiert. Sie werden mit angeblich leichteren Aufgaben betraut und verdienen weniger. Wenn Männer zehn oder zwölf Stunden arbeiten, bleiben Frauen manchmal länger, um noch den ganzen Betrieb zu reinigen, und trotzdem verdienen sie weniger. Es gibt auch das Problem der sexuellen Belästigung. Daher suchen wir Wege, wie Frauen den Kampf gemeinsam mit allen Arbeitern führen können.

Welchen Beitrag leistet Ihre Reise durch Europa für die künftige Entwicklung des gewerkschaftlichen Kampfes?

In allen europäischen Ländern versuchen wir, Solidarität und Netzwerke zwischen Arbeitern und Verbrauchern aufzubauen.

Advocacy-Aktivitäten sind bei Regierungen nicht immer erfolgreich, aber die Beziehungen zu Organisationen und Gewerkschaften in Europa sind von entscheidender Bedeutung, denn wir müssen den Kampf vereinen und globalisieren, so wie die Unternehmen auf internationaler Ebene eine einheitliche Position vertreten. Daran müssen wir Gewerkschaften noch ein wenig arbeiten.

Wir müssen auch Wege finden, um unsere Verbindungen zu sozialen Organisationen zu stärken. Das ist eine Schwäche, überall auf der Welt, denn zahlenmäßig sind wir viel mehr als die Unternehmen.

Der Beitrag ist erschienen in den Lateinamerika Nachrichten Nr. 606

  • 1. zwei Gemeinden in der Provinz Los Ríos im Westen Ecuadors
  • 2. Der Eigentümer der Grupo Noboa, Álvaro Noboa, gilt als reichster Mann Ecuadors, der es mit Immobilien, Industrie- und Handelsunternehmen sowie als Erbe von Bananenplantagen und -handelsunternehmen (die Marke Bonita Banana gehört der Exportadora Noboa, S.A.) zu einem Milliardenvermögen gebracht hat.- Sein Sohn Daniel ist seit November 2023 Präsident von Ecuador