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Der "Krieg gegen die Drogen" in Ecuador: Ein angekündigtes Scheitern

Die Militarisierung hat nur zu mehr Gewalt geführt und die Kartelle gestärkt, die den Staat infiltrieren. Die Alternative ist die Integration Lateinamerikas

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Die US-Strategie des "Kriegs gegen die Drogen" hat in Lateinamerika eine Spur von Tod und Korruption hinterlassen (Ausschnitt)
Die US-Strategie des "Kriegs gegen die Drogen" hat in Lateinamerika eine Spur von Tod und Korruption hinterlassen (Ausschnitt)

Ecuador ist derzeit mit einer seiner schwersten Sicherheitskrisen konfrontiert. Januar und Februar 2024 waren die gewalttätigsten Monate in der Geschichte des Landes, mit einem beispiellosen Anstieg von Morden, Entführungen und Anschlägen, die mit organisierten kriminellen Gruppen in Verbindung stehen.

Vor diesem Hintergrund und mitten im Wahlkampf hat sich die Regierung für die einfache und demagogische Rhetorik entschieden: Die Lösung besteht laut dem Präsidentschaftskandidaten in der Intervention ausländischer Truppen, um einen vorgeblichen "Krieg" gegen kriminelle Gruppen zu führen.

Die Geschichte hat gezeigt, dass diese Strategie ein Fehler ist. In früheren Wahlkämpfen wurden Volksbefragungen mit Vorschlägen wie der Auslieferung von Straftätern oder dem ungestraften Eingreifen der Streitkräfte in Angelegenheiten der inneren Sicherheit propagiert. Diese Maßnahmen haben jedoch keine positiven Ergebnisse gebracht, sondern im Gegenteil die Gewalt verschärft, wie die Fälle, die öffentlich bekannt wurden ‒ etwa der Mord an vier Kindern in Guayaquil ‒ zeigen.

Die Militarisierung der Bekämpfung des organisierten Verbrechens stärkt nur die Kartelle und vervielfacht die Gewalt.

Das Problem, mit dem Ecuador konfrontiert ist, ist nicht nur ein internes und nicht nur ein Problem des Landes. Es ist Ausdruck eines regionalen und globalen Konflikts, in dem der Drogenhandel nur ein Symptom tiefer liegender Ursachen ist: Ungleichheit, fehlende wirtschaftliche Möglichkeiten und der gescheiterte prohibitionistische Ansatz, der von ausländischen Mächten, insbesondere den USA, vorangetrieben wird. 

Es ist offensichtlich, dass Ecuador den bewaffneten Konflikt, der das Land heute ausblutet, nicht allein lösen kann. Es bedarf der internationalen Zusammenarbeit, jedoch nicht durch militärische Einmischung ausländischer Mächte, sondern durch koordinierte Strategien und regionale Integration.

Seit Jahrzehnten wird auf dem "Kampf gegen den Drogenhandel" beharrt, eine Strategie, die sich als unwirksam und kontraproduktiv erwiesen hat. Der richtige Ansatz besteht darin, das globale Drogenproblem zu betrachten, da es nicht nur die Eindämmung des Angebots, sondern auch die Verringerung der Nachfrage, die Rehabilitation, die soziale Eingliederung und die wirtschaftliche Auswirkung des Drogenhandels auf das globale Finanzsystem umfasst.

Im Jahr 2009, als Rafael Correa Präsident pro tempore der Unasur1 war, wurde ein Modell der regionalen Zusammenarbeit auf den Weg gebracht, das das Drogenproblem umfassend angeht: Es wurde der "Südamerikanische Rat für das weltweite Drogenproblem" gegründet.

Dessen Aktionsplan anerkannte nicht nur die Einflussnahme der organisierten kriminellen Gruppen, sondern schlug auch eine radikale und wirksame Lösung vor: die Beseitigung der Ursachen des Problems, indem die Nachfrage reduziert und das Angebot durch soziale, wirtschaftliche und nachhaltige Entwicklungspolitik beseitigt wird.

Der Aktionsplan des Südamerikanischen Rates legte grundlegende Schwerpunkte fest:

  • Senkung der Nachfrage durch Präventions-, Bildungs- und Rehabilitationsprogramme zur Verringerung des Drogenkonsums.

  • Alternative Entwicklung für Gemeinschaften, die an der Herstellung illegaler Substanzen beteiligt sind, indem ihnen tragfähige und nachhaltige wirtschaftliche Alternativen angeboten werden.

  • Justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des illegalen Handels, ohne sich auf externe Akteure zu verlassen, die das Problem instrumentalisieren.

  • Stärkung der Institutionen, damit die Länder autonom und ohne Unterordnung unter ausländische Interessen im Kampf gegen den Drogenhandel vorgehen können.

  • Kontrolle der Geldwäsche, eine der wichtigsten Strategien zur Schwächung krimineller Strukturen. Es ist erwiesen, dass je mehr Geld in Banken gewaschen wird, desto mehr Gewinn wird erwirtschaftet und umso mehr Menschen sterben infolgedessen auf der Straße. Ecuador muss die Kontrollinstanzen für Geldwäsche stärken und verhindern, dass der Drogenhandel weiterhin das Finanzsystem durchdringt.

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Dieser Ansatz stand in krassem Gegensatz zur US-Strategie des "Kriegs gegen die Drogen", die in Lateinamerika eine Spur von Tod und Korruption hinterlassen hat. Von Kolumbien bis Mexiko hat die Militarisierung nur zu mehr Gewalt geführt und gleichzeitig die Kartelle gestärkt, die die staatlichen Institutionen infiltrieren.

Verbrechensaufklärung und Gefängniskontrolle: der Schlüssel zur Eindämmung der Gewalt

Der "Krieg" ohne kriminalistische Aufklärung und ohne wirkliche Kontrolle der Gefängnisse ist eine demagogische Aktion, die die staatlichen Institutionen weiterhin vergiftet. Ohne koordinierte regionale Aufklärungsbemühungen ist die Bekämpfung krimineller Gruppen nutzlos.

Die Gefängnisse in Ecuador wurden von den Drogenmafias übernommen, die von innen heraus völlig ungestört agieren. Ohne eine echte Kontrolle des Strafvollzugssystems und eine wirksame Strategie der Aufklärung wird jede militärische Intervention nur zu mehr Gewalt führen.

Ecuador hat gezeigt, dass internationale Zusammenarbeit und lateinamerikanische Integration der richtige Weg sind. In der Vergangenheit gelang es dem Land, seine Mordrate von 17,5 im Jahr 2007 auf fünf pro hunderttausend Einwohner im Jahr 2017 zu senken, dank konkreter Maßnahmen der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen den Ländern der Region.

Dieses Modell muss wiederbelebt und gestärkt werden, nicht die vom Ausland aufgezwungenen militaristischen Lösungen.

Ohne regionale Zusammenarbeit endete das Jahr 2024 mit einer Rate von 40 gewaltsamen Todesfällen pro hunderttausend Einwohner. Der Beginn dieses Jahres war noch tragischer: Im Jahr 2025 wurden bisher durchschnittlich 52 Morde pro Tag verzeichnet, womit die 1.100 Morde in den ersten Tagen überstiegen wurden.

Als ob das noch nicht genug wäre, berichten die offiziellen Zahlen, dass im Januar 2025 46 Minderjährige ermordet wurden, darunter fünf Kinder im Alter bis drei Jahren, und dass 40 dieser Minderjährigen mit Schusswaffen getötet wurden.

Die eigentlichen Nutznießer des Krieges sind die organisierten kriminellen Gruppen. Das von Washington geförderte kriegerische Modell hat sich als völliger Misserfolg erwiesen. In Mexiko hat der Fall García Luna2 gezeigt, dass diejenigen, die die Militarisierung vorangetrieben haben, in Wirklichkeit im Dienste eines der mächtigsten Kartelle des Landes standen.

Die Politik der "harten Hand" ist nicht nur darin gescheitert, den Drogenhandel einzudämmen, sondern hat Mexiko Mitte des letzten Jahrzehnts in ein Schlachtfeld verwandelt, auf dem die am stärksten betroffenen Menschen die einfachen Bürgerinnen und Bürger sind, die die Korruption und Ineffizienz ihrer Regierungen mit dem Leben bezahlen.

Ecuador braucht keine weiteren ausländischen Soldaten und keine weiteren populistischen Diskurse über Sicherheit. Was es braucht, ist eine kohärente Politik, die auf regionaler Zusammenarbeit beruht, wie sie die Unasur 2010 vorgeschlagen hat und die von denjenigen zerstört wurde, die heute nach ausländischer Intervention rufen.

Die einzige wirksame Lösung besteht in der Integration, der Reduzierung der Nachfrage und der Beseitigung von Armut und sozialer Ausgrenzung, die Gewalt und Drogenhandel nähren.

Die Geschichte hat bereits gezeigt, dass der "Krieg gegen die Drogen" ein Vorwand für Militarisierung, ausländische Interventionen und die Bereicherung bestimmter Sektoren ist.

Die wirkliche Antwort liegt in der Schaffung gerechter Gesellschaften mit Möglichkeiten und Entwicklung für alle, und dies ist eine Aufgabe, die nur die Länder der Region ohne Einmischung, ohne Kriege und mit einer auf Frieden und sozialer Gerechtigkeit basierenden Zukunftsvision übernehmen können.

Edwin Jarrín Jarrín aus Ecuador arbeitete u.a. im Bereich Telekommunikation in der Regierung von Rafael Correa. Er ist Mitarbeiter des Instituto para la Democracia Eloy Alfaro (Ideal).

  • 1. Die Unasur wurde 2008 auf Initiative des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez als progressives Projekt zur Integration gegründet und von anderen damaligen Präsidenten der Region wie Lula da Silva (Brasilien), Néstor Kirchner (Argentinien), Rafael Correa (Ecuador) und Evo Morales (Bolivien) unterstützt Siehe amerika21 Südamerika: Präsidenten wollen Regionalbündnis Unasur wiederbeleben
  • 2. Genaro García Luna ist mexikanischer Politiker und ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter. Im Dezember 2019 wurde er in Dallas, USA, festgenommen und 2024 wegen Verschwörung zum Kokain-Handel zu 38 Jahren Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von zwei Millionen US-Dollar verurteilt