Ecuador / Medien

Grenzenlos unbekümmert oder 'Going ROGue'?

"Reporter ohne Grenzen" attakiert Ecuadors Präsident Rafael Correa mit unbelegten Behauptungen

In der jüngsten Presseerklärung der Nichtregierungsorganisation 'Reporter ohne Grenzen' zum Thema Ecuador wird behauptet, der ecuadorianische Präsident Rafael Correa habe bei einer "Ansprache am 14. Juli", "das Volk" gegen den Zeitungsredakteur Gustavo Cortez "aufgehetzt" und "seine Anhänger" "aufgefordert", "gegen den Redakteur vorzugehen".

In der englischen Fassung der Erklärung heißt es: "Brandished (sic) a photo of Cortez on 14 July, Correa publicly urged his supporters to “react” against him (see below) (sic)."

Beide Fassungen verweisen auf ein Video ebenjener Fernsehansprache vom 14. Juli. Wer des Spanischen mächtig ist, wird verwundert feststellen, dass keine dieser Behauptungen dem Inhalt des in dem Text verlinkten Videos entspricht: weder "schwenkt" Correa ein Foto von Cortez, noch fordert er seine Anhänger dazu auf "zu reagieren" oder gegen ihn "vorzugehen". Hielt es bei ROG niemand für notwendig, das Video anzuschauen, um die schweren Anschuldigungen zu überprüfen?

Cortez hat tatsächlich in einer Pressekonferenz in New York am 9. Juli die Behauptung aufgestellt, Correa habe bei einer Ansprache am 16. Juni sein Foto gezeigt und "das ecuadorianische Volk" gebeten, ihn "zu erkennen und zu reagieren" ("pidiendo al pueblo ecuatoriano que "lo reconozca y reaccione"). Er überlege, Correa deswegen zu verklagen.

Das dürfte sich allerdings als problematisch herausstellen in Anbetracht der Tatsache, dass Correa diesen Satz nie gesagt hat. Zwar fordert Correa in der Ansprache vom 16. Juni mehrmals das Volk auf "zu reagieren" ("reaccione Ecuador" (4:11), "reaccione pueblo ecuatoriano" (8:37)), allerdings nicht in Bezug auf Cortez, sondern gegenüber der (schlechten) Presse. Es handelt sich um eine Anspielung auf Correas drei Wochen zuvor gestartete Kampagne, bestimmte Medien zu boykottieren ("tenemos que reaccionar nosotros ciudadanos, empezar una campaña (…) para no comprar la prensa corrupta", (Video ab 2:19:28).

Cortez wird erst später angesprochen ("para que el pueblo ecuatoriano lo conozca" (9:07)), "damit das ecuadorianische Volk ihn kennt", und zwar als denjenigen, der als Chefredakteur von El Universo verantwortlich zeichnet für eine Schmutzkampagne mit sehr persönlichen Angriffen gegen eine Reihe von Funktionären und ihre Familien, die Correa bei seiner Klage gegen die Zeitung unterstützt hatten. Laut Correa verfügt El Universo über eine ganze "Liste" von Namen, die "zerstört" werden sollen (Video ab 2:32:29). Dabei zeigen die Artikel der Kampagne jedoch, entgegen der Behauptung von Cortez, er werde aus diesem Grund attackiert ("tras publicarse (…) una investigación sobre corrupción en el Gobierno"), nie Korruption oder irgendein Fehlverhalten der Funktionäre.

Offenbar in Bezug auf die Fernsehansprache vom 14. Juli behauptet ROG, "unabhängige Journalisten" würden "in aller Öffentlichkeit" von Correa "als ‚Feinde der Nation‘ gebrandmarkt". Die Art der Anführungszeichen sowie die unbeholfen wirkende spanische Fassung (‘enemigos del país’) legen nahe, dass es sich dabei nicht um ein Zitat handelt.

In der spanischen und französischen Fassung wird an die 'Verantwortung' des Präsidenten appelliert ("Es responsabilidad de un jefe de Estado garantizar la concordia ciudadana y no señalar al aire a los ‘enemigos del país’ (…) .") Und wie sieht es mit der Verantwortlichkeit des Journalisten aus, gut zu recherchieren? Wäre es zum Beispiel ethisch vertretbar, einem Präsidenten einfach Worte in den Mund zu legen…?

Correa hat sehr wohl die von der Oligarchie beherrschte Presse als den "größten Feind des Wandels" in Lateinamerika bezeichnet ("Todos los gobiernos progresistas de la región, subrayó, tenemos que enfrentar la misma clase de prensa corrupta, que es la principal enemiga de los cambios de beneficio popular en América Latina."). Aber das ist eine Realität, mit deren Wahrnehmung der abstrakte, die Besitzverhältnisse ignorierende Liberalismus, dem sich ROG verschrieben hat, offenbar seine Probleme zu haben scheint.