"Mexiko wird von Kriminellen in Anzügen regiert"

Offener Brief von Studierenden an die nationale und internationale Gemeinschaft

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"Nicht noch mehr Tote!" – Studentin an der UNAM
"Nicht noch mehr Tote!" – Studentin an der UNAM

Als Studenten der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM), der Generalversammlung sowie der Studentengemeinde des Zentrums für Fremdsprachenunterricht (CELE) nutzen wir diesen Weg, um auf das aktuelle Geschehen in Mexiko aufmerksam zu machen:  

Am 26. September kam es zu einem schrecklichen Ereignis in Iguala, Guerrero: Sechs Menschen wurden bei einem bewaffneten Angriff durch die Kommunalpolizei getötet. Weitere 43 Personen, alle Studenten der Bildungseinrichtung Rural Normal von Ayotzinapa, wo Lehrer für Grundschulen ausgebildet werden, wurden von der gleichen Polizeigruppe "entführt". Die Armee verweigerte den Lehramtsstudenten ihre Hilfe, obwohl diese sie explizit erbeten hatten.

Am Morgen nach diesem bewaffneten Angriff ist die Leiche eines der Studenten der Rural Normal, der ursprünglich aus Mexiko-Stadt, stammt, gehäutet aufgefunden worden, was eine gängige Folterpraxis ist. Inzwischen sind mehrere Wochen vergangen und die 43 Studenten sind immer noch verschwunden. Leider ist dies nichts Neues in diesem Land. Das "erzwungene Verschwindenlassen" ist hier weit verbreitet. In den vergangenen Jahren hat sich diese Praxis als Folge der Paramilitarisierung intensiviert, das heißt, durch die Gründung von Gruppen, die von der Regierung unterstützt werden um die Bevölkerung einzuschüchtern. Die Regierung versucht hierdurch außerdem, die Organisationen verschiedener oppositioneller Bevölkerungsgruppen zu zwingen, "strukturelle Reformen" zu akzeptieren. Hierzu zählt etwa die Enteignung ihres Landbesitzes. Manche dieser Gebiete werden als heilig betrachtet, wie beispielsweise Gebiete der indigenen Gruppen der Wirrarika oder der Yaquis. Auch kommt es  als Folge des Drogenhandels zur Vertreibung.

Aber dies ist nicht der einzige Weg, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. In den vergangenen Jahren haben sich die Gefängnisse mit unschuldigen Menschen gefüllt, deren einziges Verbrechen es war, sich der Regierungspolitik zu widersetzen. Es gab es willkürliche Festnahmen von mexikanischen Staatsbürgern, darunter auch von mehreren Studenten der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM), der Nationalen Schule für Anthropologie und Geschichte (ENAH), der Autonomen Metropolitanen Universität (UAM) und der Autonomen Universität von Mexiko-Stadt (UACM), so dass die Studentenbewegungen in den vergangenen zwei Jahren geschwächt wurde.

Mexiko leidet jeden Tag unter der staatlichen Gewalt, sei es durch Handeln oder durch Unterlassung einer Handlung. Dieses Vorgehen wird durch die Bezeichnung "Krieg gegen das organisierte Verbrechen" gerechtfertigt. Jeden Tag werden mehrere Personen (Frauen, Studenten, Indigene, Migranten) ermordet, vergewaltigt oder eingesperrt.

Angesichts dieser Kette von Ereignissen, die sich seit den Vorfällen in Ayotzinapa intensivierten, haben wir, die Studenten der Universitäten, Studenten im Allgemeinen, wie auch andere solidarische Gruppen, mit Protesten begonnen. Als Akt des Widerstandes gab es einerseits drei friedliche Demonstrationen. Andererseits gab es Aktionen an den Maut-Stellen der Autobahnen und die Besetzung von Redaktionsräumen.

Bei der Durchführung der dritten Demonstration am 5. November, betrat eine unbekannte Gruppe den Hauptcampus der UNAM und zündete einen Haltestelle und ein öffentliches Transportfahrzeug an. Um die Studentenbewegung zu spalten, orientiert die Regierung von Mexiko-Stadt auf die Kriminalisierung der sozialen Proteste. Ein Ergebnis davon ist,  dass mehrere Polizeiwagen auf das Universitätsgelände gefahren sind und somit deren Autonomie verletzten. Dabei haben die Polizisten willkürlich einige Kommilitonen, die sich auf dem Campus befanden, verhaftet. Dank der Einheit und des Engagements der Studenten waren wir in der Lage, einen von ihnen zu befreien. Wir können sagen, dass das Rektorat der Universität die ganze Zeit über eine zustimmende Haltung gegenüber der Regierung in Bezug auf diese Ereignisse und die nationale Gesamtsituation eingenommen hat. Schließlich hat Präsident Enrique Peña Nieto am 15. November erklärt, die Regierung sei rechtlich befugt, Gewalt anzuwenden, wenn andere Mechanismen, um die Ordnung wiederherzustellen, erschöpft seien.

Die Lage in Mexiko wird jeden Tag immer alarmierender. Die Verletzung der Menschenrechte und die Repression sind alltäglich. Daher bitten wir Sie, sich mit dem mexikanischen Volk zu solidarisieren und es zu unterstützen. Verfolgen Sie aufmerksam, was in unserem Land geschieht, machen Sie bekannt, dass Mexiko von Kriminellen in Anzügen regiert wird. Prangern Sie die Netzwerke der Mittäter an, die diese schützen.

Graduierte der UNAM und Zentrum für Fremdsprachenunterricht

16. November 2014