Venezuela / Politik

Follow the Domain

Interessante Erkenntnisse, wer alles hinter den Studentenunruhen in Venezuela steckt

"Follow the money" (Folge dem Geld) war die Devise, mit denen es den investigativen Journalisten der Washington Post, Bob Woodward und Carl Bernstein, gelang, die Hintermänner des Watergate-Skandals zu enttarnen. Die Methode hat ihre Gültigkeit nicht verloren, vielmehr erlebt sie gerade ein Upgrade, wenn man anstatt des Geldes einer Domain folgt. Im Zeitalter des Internets steigt die Bedeutung dieses Mediums für die politische Arbeit stetig. Auf der einen Seite ermöglicht es allen, die sich im herkömmlichen Medienbetrieb keine Stimme verschaffen können, ihre Meinung zu kommunizieren. Zum anderen bedienen sich aber auch jene dieser neuen Koomunikationsform, die vorhaben, um des Neoliberalismus willen ihre Regierung zu stürzen. Das ist gerade in Venezuela der Fall.

Seit dort Ende Mai die terrestrische Sendelinzenz für den privaten Fernsehlkanal RCTV auslief, versuchen Oppositionsgruppen, die Studenten für den gewaltsamen Protest zu instrumentalisieren. Das Ziel ist der Sturz der Regierung von Präsident Hugo Chávez und die Wiedereinführung der Verfassung der IV. Republik. Diese verfassungsfeindlichen Forderungen werden unter anderem über die Internetsite ruedalo.org verbreitet.

Wer die Seite anklickt, wird mit einem nervenden Sirenengeheul begrüßt. Die Macher rufen zum Widerstand gegen den "Tyrannen" auf und scheinen auch vor Gewalt nicht zurückzuschrecken, oder wie sonst ist das Messer über Chávez' Namen zu interpretieren? Ruedalo - was soviel heißt wie: Dreh es um - nimmt sich ein Beispiel an der serbischen Studentengruppe Optor. Diese wird von der UNESCO gepriesen, als "die Jugend, die Milosevic wegfegte". Da Ruedalo diese Art des "zivilen Ungehorsams" auch in Venezuela praktizieren will, interessiert, wer hinter der Domain steckt. Auf ihrer Seite gibt es kein Impressum, lediglich den Hinweis, daß man die Vorfeldorganisation von ORVEX sei.

Die spanische Abkürzung steht für die "Organisation der Venezolaner im Exil". Wo sich letztere befinden, verrät die Farbenwahl des Logos: die letzten zwei Buchstaben tragen die Farben des US-Sternenbanners. Die Suche in einschlägigen Datenbanken nach dem Besitzer der Domain ruedalo.org ergibt keinen Namen, sondern verweist auf orvex.org. Auch dort ist kein Rechteinhaber namentlich erwähnt. Die Telefonnummer führt lediglich zu einem Internet-Dienstleister, der im US-Bundesstaat Virginia ansässig ist. Ein Schelm, wer dabei böses denkt, nur weil dort der US-Auslandsgeheimdienst CIA seinen Hauptsitz unterhält. Da sich aber die Spur per Internet nicht bis nach Langley verfolgen läßt, geht die Recherche über die Internetseite von ORVEX weiter.

Auf der Site dominieren die Bildchen von Fidel Castro, Evo Morales und Hugo Chávez, jenen Staatsmännern, diein Lateinamerika den Widerstand gegen die US-Hegemonie verkörpern. Ihnen hat ORVEX das US-Sternenbanner plus Freiheitsstatue gegenüber gestellt. Des weiteren heißt es auf der Seite, daß 40 Venezolaner ORVEX am 11. April 2005 in Miami gegründet hätten. Die Gründer geben vor, sie wollen für "Hunderttausende" von Venezolaner, die "legal oder illegal" in den USA leben, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erlangen. Dabei orientiert sich ORVEX ausdrücklich am Beispiel der "kubanischen und nicaraguanischen Brüder".

Das es sich aber keineswegs um ein gemeinnütziges Unterfangen handelt, verrät ORVEX ungewollt auf ihrer Startseite. Dort erfahren die User, daß die Organisation im sonnigen Florida über die Elijen's Corp. zu erreichen ist. Deren Inhaber heißt Elio Aponte und ist laut eigenen Angaben Luftfahrtingenieur und Softwareentwickler. Für 500 Unternehmen, kleine und mittelständige Betriebe sowie für Regierungseinrichtungen will er Programme entwickelt haben. Trotzdem besitzt er keine eigene Domain, sondern präsentiert die Dienste von Elijen's Corp auf geocities, einem Anbieter von kostenlosem Webspace.

Das Unternehmen gibt vor, helfen zu können, wenn es darum geht, ein Visum, eine Aufenthaltserlaubnis oder gar einen Asylantrag in den USA zu bekommen. Die Zielgruppe bilden Menschen aus Kuba, Venezuela, Bolivien, Brasilien und Kolumbien. Die Bilder der entsprechenden Präsidenten zieren die Internetseite - mit einer skurrilen Ausnahme: Repräsentant Kolumbiens ist nicht etwa der US-freundliche Álvaro Uribe, sondern der Kommandeur der FARC-EP, Manuel Marulanda.

Da sich Elijen's Corporation, wie der Name sagt, als Unternehmen versteht, und eben nicht als NGO, will sie für ihre Dienste Geld sehen: 50 US-Dollar für die Erstberatung, über 3000 Greenbacks für die Zusammenstellung aller Unterlagen nebst Übersetzungen und Training für das Gespräch mit dem Einwanderungsbeamten, der über den Asylantrag entscheidet. So steht es auf der Internetseite.

Elijen's Corp sucht sich ihre Kunden über ORVEX. Die Organisation wiederum verbreitet über das Informationsportal Youtube verkaufsfördernde Videoclips. In einem jagt sie den "Tausenden" in den USA lebenden Venezolanern, deren Aufenthaltserlaubnis erloschen ist, Angst ein. "Sie laufen das Risiko, nach Venezuela deportiert zu werden", heißt es dort. Aber ORVEX will dieser Gefahr mit dem "Gran Firmazo Americano" - der großen amerikanischen Unterschriftenaktion - Einhalt gebieten. Die Aktion soll US-Präsident George W. Bush veranlassen, für die Venezolaner eine 18monatige Ausnahmeregel zu erlassen. Dieses Vorhaben und die Tatsache, daß mehrere Tausend Venezolaner - aus welchen Gründen auch immer - im Ausland leben, sind für Aponte Grund genug, um vom "venezolanischen Exil" zu sprechen und somit seiner Organisation eine Existenzberechtigung zu verschaffen. Da ein zünftiges Exil eines entsprechenden "Diktators" bedarf, sorgt Elio Aponte dafür, daß Chávez ins entsprechende Licht gerückt wird. Als probates Mittel dienen ihm dazu seine selbstgemachten Videoauftritte per Youtube. Außer Haßtiraden hat Aponte nichts zu bieten.

An dieser Stelle schließt sich der Kreis zu ruedalo.org und denjenigen, die zur Zeit im Dienste der USA in Venezuela für Unruhe sorgen dürfen. Nachdem "Follow the Domain" zu den Hintermännern in der zweiten Reihe geführt hat, müßte jetzt "Follow the Money" zum Einsatz kommen, um herauszufinden, wer sie finanziert und anleitet.