Gerechtigkeit in Uruguay

Senat entkräftet Immunitätsgesetz aus Zeiten der Diktatur. Strafverfolgung für Militärverbrechen in greifbarer Nähe

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Jubelszenen auf den Zuschauerbänken nach Verabschiedung des Gesetzes
Jubel auf den Zuschauerbänken nach Verabschiedung des Gesetzes

Montevideo. Nach mehr als 13 Stunden Debatte hat der uruguayische Senat am Dienstagabend für die faktische Entkräftung des seit 1986 gültigen Immunitätsgesetzes (Ley de Caduciad). Es verbietet die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen, die während der Militärdiktatur (1973-1985) von Militär und Polizei begangen wurden. Das Abgeordnetenhaus hatte bereits im Oktober einem Gesetzesentwurf zugestimmt, der das bestehende zwar nicht abschafft, aber es in den entscheidenden Artikeln als nicht verfassungskonform delegitimiert.

Vertreterinnen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen zeigten sich erfreut über das Abstimmungsergebnis. "Wir wollen wissen, was mit unseren verschwundenen Kameraden geschehen ist und die Folterer verurteilt werden. So öffnet sich der Weg zur Wahrheit", sagte Julio Martínez, Sprecher der Vereinigung ehemaliger politischer Gefangener in Uruguay (Crysol).

Das Gesetz fand mit nur einer Stimme eine denkbar knappe Mehrheit. Noch im September drohte das Vorhaben nicht einmal diese zu erlangen, da drei Senatoren des regierenden Linksbündnisses Frente Amplio (FA) erklärten, dagegen votieren zu wollen.

Nach intensiven innerparteilichen Debatten war es am Ende nur Jorge Saravia, der dagegen votierte. Er begründete seine Entscheidung mit fehlendem Rückhalt in der Bevölkerung. Senator Rodolfo Nin Novoa verließ zur Abstimmung den Saal, wodurch sein Stellvertreter das Stimmrecht erhielt. Der ehemalige Tupamaro und heutige Senator Eleuterio Fernández Huidobro stimmte entgegen seiner Verlautbarungen im letzten Jahr zwar nun für das Projekt, kündigte aber gleichfalls an, sein Abgeordnetenmandat niederzulegen. Wie auch von Seiten der Opposition äußerte er verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich des neuen Gesetz.

Es muss nun ein weiteres Mal im Abgeordnetenhaus abgestimmt werden, bevor es in Kraft treten kann. Hier gilt eine Mehrheit jedoch als sicher. Gesetzesgegner nährten darüberhinaus Spekulationen über ein mögliches Veto von Präsident José Mujica, was dieser jedoch bereits verneinte.

Das Gesetz entstand im Zuge eines Paktes vor dem Ende der Miltiärdiktatur zwischen Demokraten und Militärs und wurde gemeinsam mit einem Immunitätsgesetz für Angehörige der Guerilla verabschiedet. Neben Menschenrechtsorganisationen hatten auch immer wieder nationale und internationale Gerichte das Gesetz für menschenrechtswidrig erklärt.

Bereits zwei Referenden mit dem Anliegen, das Immunitätsgesetz zu annullieren waren 1989 und 2009 gescheitert.