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Venezuela stärkt staatliches Gesundheitssystem

Gesetzesreform schafft legalen Rahmen für neue Generation venezolanischer Ärzte. Stärkung des Gesundheitsprogramms Barrio Adentro

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Erhalten rechtliche Anerkennung: Studierende integraler kommunitärer Medizin demonstrieren in Caracas
Erhalten rechtliche Anerkennung: Studierende integraler kommunitärer Medizin demonstrieren in Caracas

Caracas. In "integraler kommunitärer Medizin" (MIC) ausgebildete Ärzte in Venezuela können ab sofort mit rechtlicher Anerkennung rechnen. Vergangene Woche verabschiedete die venezolanische Nationalversammlung eine entsprechende Gesetzesänderung. Dadurch können die 8.200 angehenden Mediziner, die im Dezember ihren Abschluss in MIC ablegen, als Ärzte zugelassen und in das staatliche Gesundheitssystem eingegliedert werden. Am Samstag demonstrierten Tausende der Studierenden in Caracas, um ihr Recht auf Anerkennung als reguläre Ärzte zu unterstreichen.

Der Studiengang "Integrale kommunitäre Medizin" (MIC) bricht mit dem traditionellen Lehrkanon der medizinischen Fakultäten in Venezuela. Er legt einen Schwerpunkt auf die Praxisorientierung und die humanitäre und soziale Verantwortung des Arztberufs. In diesem Sinne beabsichtigt das Konzept die soziale Integration der Ärzte in die Comunidades (lokale Gemeinschaften) vor Ort, um über einen konstanten Austausch mit der Bevölkerung ihre Gesundheitsversorgung zu optimieren. Im Unterschied zu den Medizinstudiengängen an traditionellen staatlichen Universitäten ist die MIC zudem zulassungsfrei.

Was sich wie eine kleine Formalie anhört, war in Wirklichkeit hart umkämpft. Die Opposition hatte mit einer medialen Kampagne versucht dies zu verhindern. Die oppositionelle Ärztevereinigung FMV hatte unter anderem deswegen von Juni bis September dieses Jahres flächendeckend alle öffentlichen Krankenhäuser bestreikt.

Die Ausbildung von Ärzten ist für den politischen Transformationsprozess in Venezuela enorm wichtig. Durch das zentrale Gesundheitsprogramm der Regierung, die Misión Barrio Adentro, soll eine kostenlose Gesundheitsversorgung für Alle sichergestellt werden. Dies ist bisher nur durch die Unterstützung von mehr als 30.000 kubanischen Ärzten möglich, die derzeit in Venezuela arbeiten. Zentral dabei ist, dass das Programm nur durch die Partizipation der Gemeinden funktioniert, die in Gesundheitskommitees mit den Ärzten zusammenarbeiten. Durch die Absolventen der MIC sollen nun nach und nach die Kubaner abgelöst und die Arbeit in den "Barrios", also den Armenvierteln durch venezolanische Ärzte übernommen werden. Dies ist notwendig, um das Fortbestehen des bis jetzt sehr erfolgreichen Gesundheitsprogramm auf Dauer und unabhängig von externer Hilfe sicherzustellen.

Gegen Barrio Adentro gibt es von Seiten der rechten Opposition regelmäßig Angriffe und Diffamationssversuche, da das System kostenloser Gesundheitsversorgung dem lukrativen privaten Gesundheitssektor Patienten entzieht. Die Vereinigung FMV hat dabei schon 2003 beim Unternehmerstreik gegen die Regierung von Hugo Chávez eine aktive Rolle gespielt. Dabei mobilisiert sie beispielsweise xenophobe Ressentiments gegen die Unterstützung durch die kubanischen Ärzte und stellt ihre medizinischen Fähigkeiten in Frage. So erklärte während des jüngsten Streiks im August ein Sprecher der FMV: "Wir wissen nicht, was diese Leute in Venezuela machen. Das einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass sie Kubaner sind."

Auch auch nach der Gesetzesänderung werden dem Transformationsprozess weiterhin Steine in den Weg gelegt. Die Direktorin der traditionsreichen, von Oppositionellen geleiteten Zentraluniversität von Venezuela (UCV), Cecilia García Arocha, verkündete trotz der Gesetzesänderung, dass sie keine Ärzte mit Abschluss in MIC in ihren Kliniken für Facharztausbildung akzeptieren werde. Venezuelas Präsident Hugo Chávez verteidigte dagegen die Absolventen gegen diese Angriffe und versicherte ihnen seine "volle Unterstützung". Die Regierung verabschiedete ebenfalls am Mittwoch zusätzliche Mittel in Höhe von 130 Millionen Bolívares (etwa 22 Millionen Euro) für das Gesundheitsministerium, um die 8.200 Absolventen ab dem 1. Dezember 2011 in staatlichen Krankenhäusern und Krankenstationen der Misión Barrio Adentro einstellen zu können.