Venezuela erhöht gesetzlichen Mindestlohn deutlich

Regierung hebt Mindestlohn um 32,5 Prozent an. Reallohn von vier Millionen Angestellten steigt erstmals seit mehreren Jahren trotz hoher Inflation

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Der venezolanische Präsident Hugo Chávez bei seiner Ansprache
Der venezolanische Präsident Hugo Chávez bei seiner Ansprache

Caracas. Der venezolanische Präsident Hugo Chávez hat am Samstag eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns angekündigt. Er soll in zwei Schritten im Mai und September um 32,5 Prozent auf 2047 Bolívares (etwa 364 Euro) erhöht werden. Damit liegt die Anpassung des Mindestlohns erstmals seit dem Jahr 2004 deutlich über der Inflationsrate. Zwischen 2005 und 2011 lagen die Erhöhungen des Mindestlohns von bis zu 30 Prozent stets im Bereich der Inflationsrate.

Nach Angaben des venezolanischen Statistikinstituts INE bekommen 2,3 Millionen Beschäftigte im privaten Sektor und 1,7 Millionen Angestellte im öffentlichen Dienst den gesetzlichen Mindestlohn. Hinzu kommen mehr als 2,5 Millionen Rentner, die ebenfalls den Mindestlohn erhalten. Neben dem Nettogehalt, sollen auch Ferien- und Weihnachtsgeld, sowie der Wert der monatlichen Lebensmittelgutscheine erhöht werden. Die CESTA-Ticket genannten Gutscheine bekommen Angestellte in Venezuela zusätzlich zu ihrem Gehalt, wenn dieses unter einem Grenzwert liegt. Sie sollen für Empfänger des Mindestlohns auf 970 Bolívares (etwa 173 Euro) erhöht werden.

Der venezolanische Mindestlohn sei damit der höchste in Lateinamerika, sagt die Regierung. Durch die extreme Überbewertung der einheimischen Währung entsprechen diese Zahlen jedoch nicht der realen Kaufkraftentwicklung. Tatsächlich ist der Wechselkurs außerhalb der staatlichen Währungskontrolle mehr als doppelt so hoch wie der festgesetzte Kurs von 4,3 Bolívares pro US-Dollar.

Welchen Einfluss die Erhöhung des Mindestlohns auf die Reallöhne haben wird, hängt von der Entwicklung der Inflation in diesem Jahr ab. Während sie 2011 bei 27,6 Prozent lag, hat sie im ersten Quartal 2012 etwas an Fahrt verloren. Nach Angaben der venezolanischen Zentralbank (BCV) lag sie in den ersten drei Monaten des Jahres bei 3,5 Prozent. Sollte dieser Trend anhalten, würde es zu einem Anstieg der Reallöhne um mehr als 18 Prozent kommen. Erreicht sie hingegen ein Niveau wie 2011, dann blieben den Angestellten lediglich 4,7 Prozent mehr Lohn.

Die venezolanische Oppositionspartei Primero Justicia kritisierte deshalb die von der Regierung auf 32,5 Prozent bezifferte Lohnerhöhung als "Fantasie". Die Lohnerhöhung sei erst dann ein "Gewinn" für die Arbeiter des Landes, wenn die Regierung Anstrengungen zur Senkung der Inflationsrate unternehme, sagte der Generalsekretär der Partei, Tomás Guanipa. Zudem würde die erste Stufe der Lohnerhöhung im Mai auf 1740 Bolívares lediglich die Kosten für den vom Nationalen Statistikinstitut errechneten statistischen Warenkorb für Lebensmittel abdecken. Das private Statistikinstitut CENDES hingegen berechne für eine fünfköpfige Familie einen statistischen Standardwarenkorb im Wert von 6.545 Bolívares, so Guanipa.

Auch die Sprecherin der regierungsnahen Gewerkschaft UNETE, Marcela Máspero, kritisierte den Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns als zu gering. "Wir waren zu dem Ergebnis gelangt, dass der Anstieg nicht weniger als 33,59 Prozent betragen darf", erklärte Máspero gegenüber Radio Unión. Sie forderte die Regierung auf, tiefgreifende Schritte zu unternehmen um die Kaufkraft der Arbeiter und Angestellten zu erhöhen.

Nach Angaben des venezolanischen Präsidenten kostet die Lohnerhöhung den venezolanischen Staat rund 4,8 Milliarden US-Dollar. Da die Lohnerhöhung nicht im Haushalt für das laufende Jahr vorgesehen war, soll diese Summe aus den Einnahmen des Erdölexports finanziert werden. Die Tageszeitung Últimas Noticias berichtet jedoch von einer Gesetzesinitiative, durch die das venezolanische Parlament in den kommenden Wochen die Aufnahme neuer Kredite zur Finanzierung des erhöhten Mindestlohns verabschieden solle.

Neben der aktuellen Erhöhung des Mindestlohns wies der Präsident Venezuelas bei seiner Ansprache am Samstag darauf hin, dass die Zahl der Angestellten, die lediglich Mindestlohn erhalten, seit seinem Amtsantritt deutlich zurückgegangen sei. Während sie 1999 noch bei 65 Prozent der Arbeitnehmer gelegen habe, sei sie bis 2010 auf 21,1 Prozent zurückgegangen.