Kolumbien unter Linksregierung: Kaufkraft wächst, Inflation sinkt, Mindestlohn steigt

Entscheidungen der Regierung von Gewerkschaften begrüßt, von Unternehmer:innen kritisiert. Gute Inflationsprognose für 2024

obst_und_gemuese_abteilung_supermarkt_bogota.jpg

Petro zum prognostizierten Kaufkraftzuwachs: "Das hat es in Kolumbien noch nie gegeben"
Petro zum prognostizierten Kaufkraftzuwachs: "Das hat es in Kolumbien noch nie gegeben"

Bogotá. Viele Wirtschaftsindikatoren Kolumbiens zeigen unter der Regierung von Präsident Gustavo Petro eine positive Entwicklung. Die Inflation sinkt kontinuierlich, der Peso wertet auf, die Steuereinnahmen steigen und die Arbeitslosigkeit geht zurück.

All dies widerspricht den Prognosen der rechten Opposition und einiger Unternehmensverbände über eine instabile und rückläufige Wirtschaft unter Petro.

Die Inflationsrate, die nach wie vor zu den höchsten in der Region zählt, ist nach einem Höchststand von 13,38 Prozent im März 2023 kontinuierlich auf 10,15 Prozent zum Jahresende gesunken. Da die Regierung Anfang 2022 den Mindestlohn um 16 Prozent erhöht hatte, hätten die Mindestlohnempfänger:innen rund sechs Prozent an Kaufkraft gewonnen, sagte Wirtschaftsminister Ricardo Bonilla.

In den letzten Dezembertagen 2023 hat die Regierung trotz der Kritik einiger Vertreter:innen der Wirtschaft den Mindestlohn um weitere zwölf Prozent erhöht. Nun beträgt er 1,3 Millionen Pesos (circa 310 Euro). Auf diese Weise gewinnen Angestellte und Arbeiter:innen ab Januar weitere zwei Prozent an Kaufkraft. Bonilla sagt voraus, dass die Inflation in diesem Jahr auf fünf Prozent sinken wird. Das würde einen Kaufkraftzuwachs des Mindestlohns von 13 Prozent bedeuten, erklärte er.

"Das hat es in Kolumbien noch nie gegeben", postete Petro auf X. Er kritisierte, dass die Reallöhne zwischen 2003 und 2022 nur um 100.000 Pesos (rund 23 Euro) gestiegen seien. Das sei "ein großer Unsinn der Regierungen in diesem Land. Wir sind gekommen, um diese Realität zu ändern", so der Präsident.

Die Gewerkschaften begrüßten die Entscheidung der Regierung und beklagten die "negative Haltung der Arbeitgeber".

Wirtschaftsverbände wie der Nationale Verband der Unternehmer (Andi), der Nationale Verband der Händler (Fenalco), der Verband der Großbauern Kolumbiens (Sac) und der Verband der kleinen und mittleren Unternehmen (Acopi) übten Kritik: "Wir sind besorgt über die Auswirkungen, die die beschlossene Erhöhung auf die wirtschaftliche Erholung und die Inflation der kolumbianischen Haushalte haben könnte", heißt es in einem offenen Brief.

Fenalco-Präsident Jaime Alberto Cabal lehnte die Erhöhung des Mindestlohns als "Fehler" ab. Seiner Meinung nach, die auch mehrere Wirtschaftsverbände vertreten, bedeute jede Erhöhung über das Inflationsniveau hinaus die Vernichtung von Arbeitsplätzen.

Der Anstieg der Beschäftigung im Laufe des Jahres 2023 trotz der Erhöhung des Mindestlohns Ende 2022 um 16 Prozent widerspreche dieser These, sagte Petro: "Wir haben heute eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten der letzten Jahre", versicherte er.

Tatsächlich ist sie die höchste in ganz Lateinamerika. Das sei ein Problem der letzten 40 Jahre, so Minister Bonilla. Sie ist aber von 13,8 Prozent im Jahr 2021 auf 11,2 Prozent (2022) und auf neun Prozent (2023) gesunken.

Der Präsident berichtete auch, dass die Beschäftigung im Jahr 2023 um mehr als 800.000 neue Arbeitsplätze gestiegen sei. "Was bedeutet das? Dass viele Wirtschaftstheorien der Experten falsch waren."

Bonilla zufolge regt die Anhebung des Mindestlohns den Konsum an, was wiederum die Produktion und die Einstellung von Mitarbeiter:innen stimuliert.

Um die Produktion anzukurbeln, sei auch wichtig, dass die Zentralbank die Leitzinsen senke, sagte Petro. Außerdem schlug er einen Dialog mit den Gremien der Unternehmer:innen vor, um neue Steueränderungen einzuführen. Zum Beispiel, dass Unternehmen weniger und reiche "natürliche Personen" mehr besteuert werden. Dies war im ersten Entwurf der Steuerreform 2022 vorgesehen, sei aber bei der Verabschiedung im Parlament geändert worden.

Von der Erhöhung des Mindestlohns profitiert nur ein Teil der Beschäftigten, rund 2,5 Millionen Menschen. Die Mehrheit arbeitet im informellen Sektor. Dies ist eins der Probleme, die die Regierung mit einer Arbeitsreform ändern will. Deren Verabschiedung kommt im Kongress, wo sie keine Mehrheit hat, nur langsam voran.

Weitere positive Wirtschaftsindikatoren sind die um 13 Prozent gestiegenen Steuereinnahmen und die Aufwertung des Peso um 23,11 Prozent bis 2023, was ihn zu einer der am stärksten aufgewerteten Währungen der Welt macht.

In den Stadtvierteln berichten auch die Betreiber:innen der als "tiendas" bekannten Mikro-Supermärkte über einen leichten Preisrückgang der von ihnen verkauften Lebensmittel, erklärte der Sprecher ihrer Vereinigung (Fecoltiendas), Héctor Javier Galindo: "Wir sind optimistisch, was die Entwicklung der Lebensmittelpreise angeht, und zwar dank der Bemühungen aller an der Produktion beteiligten Kolumbianer. Ich denke, das hat auch mit dem Rückgang des Dollarkurses zu tun, der es ermöglicht hat, die Produktionspreise zu senken."