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Amok gegen Caracas

Rechte US-Senatoren wollen Venezuela auf die Liste terroristischer Staaten setzen

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Amok gegen Caracas
Jorge Valero: USA ist der Terrorist

Washington. Wenige Monate vor Ende der Amtszeit von George W. Bush haben ultrarechte Republikaner in den USA eine neue, verzweifelte Offensive gegen die Regierung von Hugo Chávez gestartet. 21 Kongressmitglieder aus der Regierungspartei riefen dazu auf, Venezuela auf die Liste so genannter Terrorstaaten zu setzen. Ein entsprechender Antrag wurde Ende vergangener Woche von dem Abgeordneten aus Florida, Connie Mack, gestellt. Es sei bewiesen, dass Venezuelas Präsident Chávez mit linken Rebellengruppen im Nachbarland Kolumbien "verquickt" sei, wetterte der berüchtigte Kuba- und Venezuela-Kritiker Mack: "Chávez benutzt sein riesiges Erdölvermögen, um Terrorismus im eigenen Hinterhof zu finanzieren".

Obgleich sich das Weiße Haus zu der Initiative zunächst nicht äußern wollte, stießen die Stellungnahmen Macks auf entschiedenen Widerspruch in Caracas. Venezuela sei "ein Land, von dem das Völkerrecht geachtet wird", sagte Außenminister Nicolás Maduro. Deutlicher äußerte sich Venezuelas Vertreter in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Jorge Valero. Die US-Regierung selbst sei "eine terroristische Staatsführung par exellence", konterte der südamerikanische Diplomat, um auf die Invasion der US-Armee in Irak und vorhergehende Militäraktionen in Lateinamerika und der Karibik zu verweisen. Venezuelas Informationsminister warf den USA vor, "neue Angriffspunkte" gegen Caracas zu konstruieren.

Die jüngsten Attacken Washingtons stützen sich auf Behauptungen der kolumbianischen Regierung, Venezuela stehe der Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) bei. Die Beschuldigungen hatte in der vergangenen Woche auch Präsident Bush übernommen. Bei einem Vortrag in der US-Hispanischen Handelskammer in Washington hielt er seinem Amtskollegen in Caracas vor, eine "antiamerikanische Kampagne" in Lateinamerika zu forcieren. "Das Regime (die Chávez-Regierung) versucht, seinen Einfluss auszudehnen, indem es soziale Gerechtigkeit verspricht. Tatsächlich stehen dahinter aber kaum mehr als leere Worte und Machthunger". Direkte Kritik richtete Bush an Chávez, weil dieser den FARC-Kommandanten Raúl Reyes als einen "guten Revolutionär" bezeichnet hatte.

Reyes war am 1. März bei einem Überfall der kolumbianischen Armee auf ein Rebellenlager in Ecuador ermordet worden. Seither behaupten kolumbianische Behörden, auf Reyes’ Rechner Dokumente gefunden zu haben, die eine Finanzierung der Guerillaorganisation durch Caracas belegen. Kolumbiens Polizeichef Oscar Naranjo hatte behauptet, eine Zahlung von 300 Millionen US-Dollar aus Venezuela nachweisen zu können. Später entpuppte sich dies als freie Erfindung. "In Bezug auf die 300, die wir fortan als Dossier bezeichnen, entwickelt sich die Bemühungen ganz im Sinne der Anweisungen des Chefs. Ich werde das an anderer Stelle weiter ausführen", heißt es in einem der veröffentlichten Dokument kryptisch. Der Brief eines "Iván" an die FARC-Führung ist auf den 23. Dezember 2007 datiert. Weder ist von Chávez die Rede, noch wird erklärt, dass es sich bei "300" tatsächlich um einen Geldbetrag handelt. Trotzdem wurde der Vorwurf auch von den US-Abgeordneten wiederholt.

Offenbar wird in den USA versucht, die anhaltende Debatte zwischen Kolumbien und Venezuela sowie anderen Nachbarstaaten um dem Umgang mit der Guerilla zu nutzen. Eine Aufnahme in die Liste "terroristischer Staaten" halten Beobachter dennoch für unwahrscheinlich. In Anbetracht der engen Handelsbeziehungen würde das beiden Seiten schaden, meint Daniel Erikson von der US-Denkfabrik Inter-American Dialogue.

Die Meinung teilt auch der Politologe Dan Hellinger von der Webster Universität in St. Louis. "Die Initiatoren versuchen, die Krise für ihre Ziele zu nutzen und eine härtere Politik gegenüber Venezuela gesetzlich zu verankern", so Hellinger. Das widerspiegele aber nicht die Meinung der Mehrheit im US-Kongress.


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.