Nicaragua / Vatikan / Politik

Diplomatische Verstimmungen zwischen Nicaragua und dem Vatikan

Papst Franziskus setzte die Regierung Nicaraguas mit "Diktaturen des Kommunismus und des Hitlerismus" gleich. Rom und Managua erwägen, die diplomatischen Beziehungen auszusetzen

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Papst Franziskus, hier auf einem Foto von 2015, ist jetzt zehn Jahre im Amt
Papst Franziskus, hier auf einem Foto von 2015, ist jetzt zehn Jahre im Amt

Managua/Rom. Die Meldung eines Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zwischen Nicaragua und dem Vatikan seitens der Regierung von Präsident Daniel Ortega verbreitete sich in Windeseile in der Medienwelt. Papst Franziskus habe die Ortega-Regierung in einem Interview als "Hitler-Diktatur" bezeichnet. Was steckt hinter den Meldungen?

Am vergangenen Sonntag veröffentlichte das Außenministerium Nicaraguas eine Presseerklärung, dass "zwischen dem Vatikanstaat und der Republik Nicaragua eine Aussetzung der diplomatischen Beziehungen erwogen wird". Vorausgegangen war ein Interview von Papst Franziskus mit dem argentinischen Nachrichtenportal infobae.com, in dem er die Regierung Nicaraguas mit "Diktaturen des Kommunismus und des Hitlerismus" gleichsetzte.

In der Presseerklärung hieß es weiter, dass Medien, die mit dem Putschversuch 2018 in Nicaragua verbunden seien, die verfälschte Nachricht über die Beendigung der diplomatischen Beziehungen verbreitet hätten. Gemeint ist dabei das Online-Medium confidencial, dessen Redaktion von dem kürzlich aus Nicaragua ausgebürgerten Carlos F. Chamorro geleitet wird.

Confidencial hatte einen "Abbruch der diplomatischen Beziehungen" als erstes gemeldet. Inzwischen scheint diese Nachricht aber gelöscht worden zu sein. Eine ähnliche englischsprachige Meldung findet sich noch auf dem Server.

Ein wichtiger Grund der aktuellen diplomatischen Irritationen zwischen Nicaragua und dem Vatikan Papst ist, dass Franziskus in dem Interview die Verurteilung des Bischofs von Matagalpa, Rolando Álvarez, beklagt hatte. Der 56-jährige Bischof war seit vergangenem August wegen Verschwörung gegen die Regierung unter Hausarrest gestanden. Im Februar hatte sich Álvarez dann geweigert, zusammen mit 222 anderen Oppositionellen, die aus dem Gefängnis entlassen und des Landes verwiesen wurden, in die USA abgeschoben zu werden (amerika21 berichtete).

In Folge dessen war Álvarez in Nicaragua in ein Gefängnis überstellt worden. Vergangene Woche wurde er aufgrund der ursprünglich erhobenen Vorwürfe "Untergrabung der nationalen Integrität, Verbreitung von Falschnachrichten, Behinderung von staatlichen Funktionen, Ungehorsam und Verachtung der Autoritäten" zu einer Haftstrafe von 26 Jahren und vier Monaten verurteilt.

Papst Franziskus beschreibt Bischof Álvarez als einen ernsthaften und fähigen Mann und bezeichnet Ortega als "unausgeglichen" und "Flegel".

Der italienische Journalist Fabrizio Casari schrieb dazu im nicaraguanischen Internetportal von Radio La Primerisima, dass Franziskus mit seiner Kritik weit über das hinausgegangen sei, was in der kirchlichen und diplomatischen Sprache üblich sei. Er habe zudem einen ebenso leichtsinnigen wie ahistorischen Vergleich zwischen dem Nicaragua des Jahres 2023 und dem Russland von 1917 oder dem Deutschland von 1935 angestellt. Dies sei wohl eher dem Groll des Papstes als seinem Wissen entsprungen.

Auch wenn Franziskus kein Historiker sei, müsse er doch einschätzen können, dass die katholische Kirche der "unerbittliche Feind" der Russischen Revolution wie auch jedes anderen Befreiungsprozesses war, der Europa von den Monarchien befreite. Außerdem sei die katholische Kirche der Hauptverbündete des Nazismus gewesen. Mit dem Segen von Papst Pius XII. habe der Nazifaschismus den Holocaust und die militärische Besetzung eines Großteils Europas betrieben. Der Papst müsste zumindest von der ungesühnt gebliebenen Geschichte das Vatikans etwas verstehen, "einer Geschichte des Grauens und Blutvergießens, der Grausamkeit und der Verbrechen", so Casari.

Auch andere Autoren reagierten in Nicaragua schnell auf die ungewohnten Vorwürfe des Papstes. Der politische Analyst William Grigsby Vado von Radio La Primerisima beschrieb die Rolle der katholischen Kirche an der Seite der Mächtigen der Welt, von der Kolonialisierung und Zwangsmissionierung in Lateinamerika bis zur heutigen "segnenden Begleitung des US-amerikanischen und europäischen Imperialismus". In Nicaragua, so Grigsby, erhielten die Armen wenigstens die Unterstützung, die ihnen die Kirche nicht biete.

Die Verwicklung des heutigen Papstes, dessen weltlicher Name Jorge Mario Bergoglio ist, in die Kollaboration mit der argentinischen Militärjunta war das Thema weiterer Beiträge. Auch das Verschweigen der Entführung von Befreiungstheologen durch den Geheimdienst mit Wissen von Bergoglio wurde genannt. Er war damals Leiter des Jesuitenordens.

Inzwischen musste das oppositionelle Online-Medium "La Prensa", das ebenfalls der Familie Chamorro gehört, von den Meldungen über den Abbruch der Beziehungen Abstand nehmen. Im Leitartikel vom 14. März heißt es jetzt auch, dass von der Regierung eine Aussetzung der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vatikan und der Republik Nicaragua vorgeschlagen wurde. Weiter schreibt La Prensa unter Berufung auf eine argentinische Quelle, dass der Heilige Stuhl "den derzeitigen Geschäftsträger Monsignore Marcel Diouf, der sich in Managua aufhält, angewiesen habe, die Nuntiatur zu schließen und das Land zu verlassen".

Aktuell ist keine offizielle Aussage der beiden Parteien bekannt, wie die Entwicklung weitergehen wird. Auch weiß man nichts darüber, ob es in Managua oder in Rom Gespräche gab, wie die Aussetzung der diplomatischen Beziehungen tatsächlich aussehen und welche Auswirkung sie auf die katholische Kirche im Land haben könnte.