Guatemala: Völkermordprozess wird fortgesetzt

Verfahren gegen Ex-Diktator Ríos Montt und General Rodríguez Sánchez geht weiter. Erstmals Machthaber im eigenen Land vor Gericht

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Graffito gegen Ex-Diktator Ríos Montt in Guatemala
Graffito gegen Ex-Diktator Ríos Montt in Guatemala

Guatemala-Stadt. Am Dienstag wurde der Prozess gegen den ehemaligen guatemaltekischen Diktator Efraín Ríos Montt mit der Vernehmung der vier letzten von der Verteidigung berufenen Zeugen wieder fortgeführt. Damit nahm das Gericht einen Beschluss der Richterin Carol Flores zurück, die das Verfahren wegen Völkermordes gegen Ríos Montt und General Rodríguez Sánchez am 18. April ausgesetzt hatte.

Für die kommenden Tage werden die Abschlussplädoyers von Anklage und Verteidigung mit der abschließenden Verkündung des Urteils durch das Gericht erwartet. Allerdings stehen noch verschiedene Entscheidungen des Verfassungsgerichts über die von der Verteidigung eingelegten Einsprüche aus.

Angeklagt sind der ehemalige Militärdiktator Ríos Montt und der General Rodríguez Sánchez für die Massaker an 1.771 Maya der Ethnie Ixil während der De-facto-Präsidentschaft von Ríos Montt in den Jahren 1982 und 1983. Der derzeitige Prozess untersucht also nur einen sehr kleinen Teil der 664 von der UN-Wahrheitskommission erfassten Massenmorde. Dem Krieg in Guatemala (1960-96) fielen laut der Wahrheitskommission über 200.000 Menschen zum Opfer.

Von dem Prozess wegen des Völkermordes an den Ixiles erhoffen sich die Angehörigen der Opfer die juristische Anerkennung und Bestrafung der von den ranghohen Militärs angeordneten Gewalt gegen ihre Gemeinden. Eine Verurteilung der nun Angeklagten wäre daher nicht nur ein enormer Schritt im Kampf gegen die Straflosigkeit vergangener Verbrechen, sondern vor allem in der gesellschaftlichen Aufarbeitung des Genozids an der Maya-Bevölkerung. Es ist weltweit der erste Prozess, in dem ein ehemaliger Staatschef sich vor einem nationalen Gericht wegen Völkermordes verantworten muss.

Fast zwölf Jahre nachdem die Überlebenden der Gewalt Klage wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingereicht hatten, hatte am 19. März diesen Jahres der Prozess gegen Ríos Montt und Rodríguez Sánchez begonnen. Die Verteidigung versuchte wie schon in den Vorverhandlungen durch das Einlegen von Rechtsmitteln den Ablauf des Prozesses zu verzögern.

Nach drei Prozesswochen entschied am 18. April die Richterin Flores die Annullierung des Prozesses. Flores sollte ursprünglich lediglich über die Zulassung von Beweismitteln und Zeugen der Verteidigung informieren, stattdessen erklärte sie den gesamten Prozess seit November 2011 für ungültig. Eine Entscheidung, die sowohl das prozessführende Gericht als auch die Generalstaatsanwältin als illegal zurückwiesen und Einspruch beim Verfassungsgericht einlegten. Die vorsitzende Richterin Yassmín Barrios setzte die Verhandlungen dennoch vorübergehend aus.

Am 22. und 23. April entschied das Verfassungsgericht über die Hälfte der eingelegten Rechtsmittel und befand, dass Ríos Montt am ersten Verhandlungstag ohne Verteidigung gewesen sei, weil das Gericht seinen Anwalt nach dessen Versuchen, den Prozess zu verzögern zurückgewiesen und durch einen Pflichtverteidiger ersetzt hatte. Außerdem wurden der Richterin Flores die Prozessakten übergeben und ihr angeordnet, die Zulassung der Beweismittel erneut zu prüfen – eine Entscheidung, die von guatemaltekischen Medien vorschnell als Bestätigung der Annullierung des Prozesses interpretiert wurde. Am 26. April leistete Flores der Anordnung des Verfassungsgerichts Folge und entschied im Widerspruch mit ihrem Entscheid vom 18. April, dass die Beweismittel in den Prozess aufgenommen werden sollten.

Mit der Wiederaufnahme des Prozesses kehrte bei den Überlebenden die Hoffnung nach über 30 Jahren Gerechtigkeit zu erkämpfen zurück. Allerdings steht immer noch die Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Annullierung des gesamten Prozesses durch die Richterin Flores vom 18. April und eine mögliche Anwendung des Amnestiegesetzes im Falle von Rodríguez Sánchez aus.