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Morales-Notlandung: Lateinamerika berät Revanche

Boliviens Präsident spricht von Angriff auf progressive Regierungen. Staatenbund Unasur beruft Sondersitzung ein

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Boliviens Präsidialmaschine auf dem Rückflug beim Zwischenstopp auf den Kanaren
Boliviens Präsidialmaschine auf dem Rückflug beim Zwischenstopp auf den Kanaren

Wien/La Paz. Boliviens Präsident Evo Morales hat das Vorgehen mehrerer EU-Mitgliedsstaaten gegen ihn als Angriff auf die linksgerichteten Regierungen Lateinamerikas bewertet. Die erzwungene Landung seiner Maschine beim Rückflug aus Moskau stehe im Kontext einer Einschüchterungspolitik der EU, so Morales kurz vor seinem Rückflug nach Bolivien.

Die Politik der verantwortlichen EU-Staaten hatte der südamerikanische Staatschef scharf kritisiert. "Wir befinden uns nicht mehr in Kolonialzeiten", sagte er: "Einige europäische Staaten irren, wenn sie denken, sie könnten uns bedrohen." Morales, der sich als "Gefangener" bezeichnete, kündigte zugleich eine Untersuchung des Zwischenfalls an. "Das werden sie der Welt erklären müssen", sagte er.

Der sozialistische Präsident hatte fast 13 Stunden auf dem internationalen Flughafen Schwechat von Wien verbringen müssen. Sichtlich peinlich berührt war Österreichs Präsident Heinz Fischer von der regierenden Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) dort mit Morales vor die Presse getreten. Indes herrscht Unklarheit über das Geschehen: Frankreich und Spanien wiesen zunächst den Vorwurf zurück, Morales den Überflug verweigert zu haben, ohne jedoch weitere Details bekannt zu geben. Später gestand die französische Regierung den Fehler doch ein und entschuldigte sich.

Morales’ Maschine war der Überflug in mehreren Staaten der EU offenbar wegen des Gerüchts verweigert worden, dass sich der US-Geheimdienst-Enthüller Edward Snowden seit Moskau an Bord befinde.

Spitzenpolitiker des südamerikanischen Staatenbundes Unasur bestätigten indes die Einberufung einer Sondersitzung zu dem Zwischenfall für den heutigen Donnerstag im bolivianischen Cochabamba. Die außerplanmäßige Konferenz des Zwölf-Staaten-Bündnisses wurde von Ecuadors Präsident Rafael Correa und seinem peruanischen Amtskollegen Ollanta Humala bekannt gegeben. Humala hat derzeit die Präsidentschaft der Unasur inne. Zuvor bereits hatte Correa über den in Lateinamerika populären Kurznachrichtendienst Twitter seiner Wut Ausdruck verliehen. "Unsere Solidarität gilt Evo Morales und dem mutigen bolivianischen Volk", schrieb Correa. "Unser Amerika" – der Ausdruck steht für die lateinamerikanische und karibische Gemeinschaft – "kann einen solchen Missbrauch nicht dulden", so Correa weiter. Wer sich mit Bolivien anlege, bekomme es mit allen Ländern der Region zu tun.

Parallel zu Correa äußerte sich Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño. Die Verweigerung des Überflugrechtes für die Präsidialmaschine Boliviens durch EU-Mitgliedsstaaten sei eine "ungeheure Beleidigung", sagte Patiño auf einer Pressekonferenz in Quito. Offenbar lasse sich auch die EU von einer "paranoiden Reaktion" auf die Veröffentlichungen Snowdens über globale Spionageprogramme der USA und Großbritanniens leiten, fügte der Chefdiplomat der Regierung Correa an. Ecuador steht mit im Fokus der Snowden-NSA-Affäre, weil das Land einen Asylantrag des 30-jährigen prüft. Im vergangenen Jahr hatte die Regierung in Quito bereits dem Mitbegründer des Enthüllungsportals Wikileaks, Julian Assange, Asyl gewährt. Assange sitzt seither in der Botschaft Ecuadors in London fest.

Der Generalsekretär der Unasur, der Venezolaner Ali Rodríguez Araque, bezeichnete das Vorgehen gegen Morales’ Maschine als "entwürdigend und absurd". Man könne nach diesem Zwischenfall nicht zur Tagesordnung übergehen, als wäre nichts geschehen. "Das Absurde ist, dass es sich gerade bei Frankreich um ein Opfer der Politik handelt, die Snowden enthüllt hat", sagte Rodríguez Araque. Anstatt nun gegen die USA vorzugehen, handele die Regierung in Paris gegen Bolivien.

Ebenfalls über Twitter meldete sich Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández zu Wort. "Bleiben wir ruhig, damit werden sie nicht durchkommen", schrieb sie. Kubas Außenministerium kritisierte das Vorgehen mehrerer EU-Staaten gegen Präsident Morales als "willkürlich" und "unbegründet". Diese Aktion richte sich "gegen ganz Lateinamerika und die Karibik", heißt es in der online veröffentlichten Erklärung aus Havanna weiter. Venezuelas Außenminister Elías Jaua beschuldigte indes offen die US-Regierung, hinter dem "Attentat" auf Boliviens Präsidenten zu stehen. Während eines Besuchs in Belarus beklagte der sozialistische Politiker, dass die verantwortlichen EU-Staaten die Immunität des Staatschefs verletzt hätten. "Wir machen die USA und alle beteiligten Staaten für diesen Übergriff verantwortlich", so Jaua nach Angaben des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur.

Angesichts der Welle der Empörung protestierte selbst der Generalsekretär der US-dominierten Organisation Amerikanischer Staaten, José Miguel Insulza. Er sei "sehr verärgert", so der Chilene: "Diese ungemein respektlose Aktion gegen den höchsten Repräsentanten eines Landes ist durch nichts zu rechtfertigen".