Chile / Politik

Chiles Oberstes Gericht erkennt Mitschuld während Diktatur an

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Hier legte Pinochet seinen Amtseid ab: Sitz des Obersten Gerichtshofes in Santiago de Chile
Hier legte Pinochet seinen Amtseid ab: Sitz des Obersten Gerichtshofes in Santiago de Chile

Santiago de Chile. Nach zahlreichen Aufforderungen, sich zu seinem Verhalten während der Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) zu äußern, hat der chilenische Oberste Gerichtshof am vergangenen Freitag eingeräumt, dass es "Versäumnisse in seiner Verantwortung gab, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern."

In dem Text, der gemeinsam von allen Richtern herausgegeben wurde, heißt es, dass der Zusammenbruch der demokratischen Institutionen die Installation eines Regimes ermöglicht habe, das die Grundrechte der Bürger in Chile verletzt sowie Todesfälle, Entführungen, illegale Verhaftungen und Folter verursacht habe.

"Man kommt nicht umhin festzustellen, dass, wenn diese Ungerechtigkeiten tatsächlich vorgekommen sind, dies zum Teil Versäumnissen der Richter jener Zeit geschuldet ist, die nicht genug getan haben (...) und ebenso der Tatsache, dass der Oberste Gerichtshof damals keinerlei Führung ausgeübt hat", wird in der Erklärung ausgeführt. Das Oberste Gericht Chiles erkennt an, dass die Menschenrechtsverletzungen ihm durch zahlreiche Beschwerden und Anträge auf einstweilige Verfügungen angezeigt wurden. Es könne daher keine andere Haltung geben als "die ausdrückliche Anerkennung der ernsten Handlungen oder Unterlassungen", die von diesem Gericht begangen wurden. Die Handlungsweise des Gerichts "stellte einen Verzicht auf gerichtliche Funktionen dar", ein Verhalten, das sich vonseiten der Mitglieder der Justiz und Bürgern der kommenden Generationen nicht wiederholen dürfe.

Die Erklärung, die vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Rubén Ballesteros, nach einer Vollversammlung mit 14 Richtern bekanntgegeben wurde, kam nach Aufforderungen von mehreren Seiten zustande, unter anderem von der Nationalen Vereinigung von Richtern, die von "historischer Verantwortung der Justiz" sprach. "Man muss es deutlich und vollständig anerkennen: die Justiz und insbesondere der Oberste Gerichtshof jener Zeit, hat ihre grundlegende Aufgabe, die Wahrung der Grundrechte und den Schutz derer, die Opfer staatlichen Missbrauchs waren, verraten", so die Vereinigung in ihrer Stellungnahme vom vergangenen Mittwoch, in der sie öffentlich um Verzeihung für ihre Versäumnisse bat. Den Obersten Gerichtshof forderte sie auf, es ihr gleichzutun, in dessen Erklärung kommt jedoch das Wort "Entschuldigung" nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof Chiles hatte den Putsch vom 11. September 1973 gegen die Regierung der Unidad Popular öffentlich unterstützt und war das staatliche Organ, vor dem Pinochet als Präsident der Republik vereidigt wurde. Im Namen seiner Kollegen äußerte der damalige Präsident des Gerichtshofes, Enrique Urrutia Manzano, seine "Zufriedenheit mit der Machtübernahme durch das Militär und den Wechsel der Regierung."