Indigene erhöhen Druck auf Regierung in Kolumbien

Vertreter der Ureinwohner informieren im Gespräch mit amerika21.de über die Lage in der Region Cauca. Militarisierung und politische Gewalt allgegenwärtig

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Janeth Paja und Ernesto Cunda von der indigenen Organisation ACIN.
Janeth Paja und Ernesto Cunda von der indigenen Organisation ACIN.

Bogotá/Köln. Mehr als 40.000 indigene Aktivisten sind in dieser Woche in Kolumbien auf die Straße gegangen, um die Regierung auf die dauerhafte Verletzung ihrer Rechte aufmerksam zu machen. Präsident Juan Manuel Santos müsse sich mit ihrer kritischen Situation auseinandersetzen, hieß es von Seiten der  Demonstranten. Über die zentralen Forderungen, insbesondere der Mitglieder der Volksgruppe der Nasa, sprach amerika21.de mit Janeth Paja und Ernesto Cunda, zwei Anführern der indigenen Organisation ACIN aus dem Norden des Bundesstaats Cauca, die sich gerade auf einer politischen Rundreise durch Deutschland befinden.

Nach Ansicht der beiden Aktivisten hat Santos bislang für die Indigenen zentrale Fragen ignoriert. Die Mobilisierung ziele daher darauf ab, seine Regierung zur Verantwortung zu ziehen, so Cunda.

Besonders wichtig sei das Thema der Freihandelsabkommen. "Wir bauen zum Beispiel Kaffee, Kartoffeln, Reis, Mais und Bohnen an. Einen Teil davon verbrauchen wir selbst, aber der Überschuss geht an die Dörfer und an die Stadt Cali", so Cunda. Der Erlös dieser Produkte sei eine wichtige Ressource für das Bildungs- und Gesundheitswesen der Nasas, denn schließlich müssen sie beide Bereiche praktisch selbst unterhalten.  "Wenn in Cali solche Lebensmittel aus dem Ausland preiswerter verkauft werden, dann haben wir keine Chance mehr", beklagte der Nasa-Vertreter. Deshalb unterstütze ACIN die Forderung des nationalen "Kongresses der Völker", einem Zusammenschluss sozialer Organisationen, die Freihandelsabkommen durch ein Referendum abzuschaffen oder gründlich zu ändern.

Auch ein Freihandelsabkommen mit der EU sieht die ACIN kritisch. "Es macht keinen Unterschied, ob die Produkte aus den USA oder aus Europa kommen", die zerstörerischen Effekte auf den Markt seien gleich, so Cunda weiter. Dies gelte nicht nur für die Indigenen, sondern auch für die Afrokolumbianer und die Bauern im allgemeinen.

Ein weiteres Problem sei das Vordringen der Bergbauindustrie in Cauca und speziell in den Territorien der Indigenen. "Multinationale Konzerne wie Anglogold Ashanti, Anglogold American und Cosigo Resources wollen nicht locker lassen", sagte Cunda. Die Regierung haf diesen Firmen ohne die nötigen Konsultationen mit den Nasas bereits zahlreiche Lizenzen erteilt. Die Goldförderung in den geschützten Zonen der Indigenen, den "Resguardos", habe allerdings noch nicht begonnen. "Und das werden wir auch nicht zulassen", versicherte Cunda.

Nach seinen Angaben dringt auch die Agrarindustrie in die Territorien der Indigenen ein. Praktisch das gesamte Tiefland im Norden von Cauca, in dem Lebensmittel produziert werden könnten, ist mit Zuckerrohrpflanzungen für die Herstellung von Biokraftstoffen oder mit Pinien zur Holzgewinnung bedeckt, prangert Cunda an. Mächtige kolumbianische Unternehmen wie Incauca, Castilla, Mayaguez oder Smurfit kaufen die Ländereien, die die Regierung ihnen als Brachland verkauft, obwohl sie traditionell zu den Nasa-Territorien gehören.

Der Konflikt um Grundstücke sei nicht neu, führte Janeth Paja aus. Zwischen 2005 und 2008 hätten die Nasas mehrere Landbesetzungen duchgeführt, denen der Staat mit heftigen Repressionen begegnet sei. Heute bestehe ihre Mobilisierungsstrategie vor allem darin, wichtige Verkehrsadern im Südwesten Kolumbiens zu besetzen. Die Territorien verteidigen die Nasas weiterhin durch ihre "Guardia Indígena" (indigene Wache).

Paja bezeichnete die Militarisierung als eines der schwierigsten Themen. Die Guerillaorganisation der FARC, die Armee und Paramilitärs seien im Norden von Cauca nach wie vor sehr aktiv. "Wir fragen uns, wie ernst die laufenden Friedensgespräche gemeint sind, denn die Militärangriffe in unserer Region dauern an", so Plaja. Außerdem bedrohen die Paramilitärs ständig viele der indigenen Anführer. Andere Nasas würden unter dem Vorwand der Zugehörigkeit zur Guerilla inhaftiert. Dies sei der Fall von fünf engagierten Indigenen, unter ihnen Manuel Antonio Bautista, der wegen "Terrorismus" angeklagt wurde. Bautista gehört zur "Guardia" und hatte sich im letzten Jahr daran beteiligt, Soldaten von einem heiligen Berg der Nasas zurückzudrängen. Paja betonte die Bedeutug der internationalen Unterstützung der friedlichen Kämpfe der Nasas. Dies sei ein Grund für ihre Rundreise in Deutschland.