Venezuela / Politik

Gegenseitige Vorwürfe nach Gewalt in Venezuela

Wechselseitige Beschuldigungen wegen Ausschreitungen. Regierung ruft zum Dialog auf

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Vor dem Sitz des staatlichen TV-Senders VTV in Táchira in der Nacht zum Freitag
Vor dem Sitz des staatlichen TV-Senders VTV in Táchira in der Nacht zum Freitag

Caracas. In Venezuela haben die gewaltsamen Ausschreitungen vom vergangenen Mittwoch zu gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen der Regierung und der rechten Opposition geführt. Innenminister Miguel Rodríguez Torres sagte vor den Medien, die Zusammenstöße mit insgesamt drei Todesopfern seien Teil eines Szenarios, mit dem "gewalttätige Gruppen" das Land in einen "Bürgerkrieg" stürzen wollten. "Dies sind keine sozialen Proteste, ihr Charakter ist konspirativ", so Rodríguez Torres.

Verschiedene Organisationen aus dem chavistisch geprägten Stadtteil 23 de Enero, die in der "Frente de Colectivos Sergio Rodríguez" organisiert sind, bedauerten in einer gemeinsamen Erklärung die Gewalt. Eines der Todesopfer vom Mittwoch war Juan Montoya, aus der in der "Frente" organisierten Gruppe Montoneros. "Wir distanzieren uns von jeglichen Akten der Gewalt und des Vandalismus, die in der Hauptstadt geschehen", hieß es in dem Kommunqué. Diese könnten den Staatsstreich rechtfertigen und beschleunigen, "den die faschistische Rechte auszuführen im Begriff ist", so die Aktivisten.

Regierungsvertreter beschuldigten Oppositionspolitiker Leopoldo López, die Ausschreitungen organisiert oder heraufbeschworen zu haben. Am Mittwoch hatte López im Fernsehen angekündigt, die Proteste würden weitergehen, "bis wir jene, die uns regieren, vertrieben haben". López‘ Partei, die rechtsgerichtete Voluntad Popular (VP), machte indes Präsident Nicolás Maduro für die Gewalt verantwortlich. Einige Exponenten der Opposition warben für weitere Demonstrationen. Die rechtsextreme Abgeordnete María Corina Machado sprach von einem "despotischen Regime", gegen welches "die Antwort auf der Straße gegeben" werden müsse. Prompt gab es in der Nacht auf Freitag weitere Ausschreitungen in einigen Stadtteilen von Caracas und im Bundesstaat Táchira, wo der staatliche Fernsehsender VTV zum zweiten Mal Ziel von Angriffen wurde.

Maduro rief seinerseits die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren und nicht auf Provokationen zu reagieren. Für den morgigen Samstag kündigte er eine Großdemonstration "für den Frieden und gegen den Faschismus" in Caracas an. "Ich appelliere an die Werte des guten Venezuela, der Mehrheit Venezuelas, und an die Werte der Liebe. Venezuela hat immer die Werte des guten Zusammenlebens und der Solidarität unter Nachbarn verteidigt."

Auch aus Oppositionskreisen ließen sich am Tag nach den Auseinandersetzungen beschwichtigende Töne vernehmen. Der zweimal unterlegene Präsidentschaftskandidat der Opposition, Henrique Capriles Radonski, sagte, er werde keine gewaltsamen Aktionen unterstützen. "Wir wollen keine soziale Explosion und keinen Staatsstreich", so Capriles. Auch die Studierendenföderation der Zentraluniversität Venezuelas (UCV), welche die Proteste vom Mittwoch mitorganisiert hatte, wies die Gewalttaten zurück. "Wir rufen zum Frieden und zum zivilen, demokratischen Protest auf, wie er in der Verfassung vorgesehen ist", sagte der Präsident der Studierendenorganisation, Juan Requesens.

Eine Gruppe oppositioneller Studenten versammelte sich am Donnerstag erneut auf der Plaza Altamira im reichen Stadtteil Chacao, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Wie oppositionelle Zeitungen vermeldeten, forderten zwischen 300 und 600 Demonstrierende die Freilassung der bei den Ausschreitungen festgenommenen Studenten. Auch in sieben weiteren Bundesstaaten fanden kleinere Demonstrationen statt.

Die Regierung rief indes die Studierenden zu einem breiten Dialog auf. Ab kommendem Dienstag werden in allen Universitäten des Landes Arbeitsgruppen eingerichtet, die zusammen mit Regierungsvertretern Vorschläge für Reformen ausarbeiten sollen, wie Minister Rodríguez Torres mitteilte. Die Universitäten sollten "aus ihren vier Wänden heraustreten und mit ihrem Wissen Teil der Gesellschaft werden", so der Minister. Die Regierung wolle "die Universitäten mit der Realität unserer Städte, Viertel und Strassen zusammenführen, um einen Beitrag zur Transformation der heutigen Gesellschaft in eine Gesellschaft des Friedens zu leisten".