Mahnwache zu Ayotzinapa in Frankfurt am Main

Das Gewaltverbrechen findet auch in Deutschland sein Echo. Der mexikanische Konsul sieht derweil strukturelle Probleme auf lokaler Ebene

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Mahnwache vor dem mexikanischen Konsulat in Frankfurt am Main
Mahnwache vor dem mexikanischen Konsulat in Frankfurt am Main

Frankfurt am Main. Das gewaltsame Verschwindenlassen von 43 Lehramtsstudenten im mexikanischen Bundesstaat Guerrero bewegt in Deutschland auch weiterhin Menschen dazu, ihrem Schmerz und ihrer Wut öffentlich Ausdruck zu verleihen. Bereits zum zweiten Mal fand vergangenen Montagnachmittag eine Mahnwache vor dem mexikanischen Konsulat neben der Alten Oper in Frankfurt am Main statt.

Eine Gruppe von fast ausschließlich mexikanischen und in Deutschland lebenden Frauen war zusammen gekommen, um mit Plakaten, Kerzen, Luftballons und Bildern der 43 Vermissten auf die Gewaltspirale in ihrem Heimatland aufmerksam zu machen. Ihren Aussagen zufolge sei es dort mittlerweile unmöglich geworden, eine klare Trennlinie zwischen dem Organisierten Verbrechen und den staatlichen Strukturen zu ziehen. "Es ist Teil unserer moralischen Verantwortung, hier zu protestieren“, hält eine der Teilnehmerinnen, Beatriz Delgado, fest. In Mexiko selbst habe sie sich nie politisch betätigt, lässt sie wissen, bekräftigt aber im gleichen Atemzug, dass der politische Druck von außen ein entscheidendes Gewicht habe, damit sich in ihrem Heimatland etwas ändere.

Auch der mexikanische Konsul Dr. Horacio Saavedra zeigt sich berührt von den Geschehnissen in Guerrero. In einem Gespräch mit amerika21 nennt er das Verschwindenlassen der 43 Studenten eine "Tragödie". Es existiere eine "Schwächung des Rechtsstaates" in seinem Land. "Die Bürgermeister haben keine Kapazitäten, die Polizisten gut auszubilden und zu bezahlen. Sie haben geringe Löhne und fühlen sich dadurch zur Korruption hingezogen", sagte Saavedra. Er sieht das staatliche Gewaltproblem primär auf der lokalen Polizeiebene ansässig. Der Konsul verweist auf eine vom mexikanischen Präsidenten ausgearbeitete Verfassungsänderung, die die lokalen Polizeistrukturen aufzulösen beabsichtigt. Demnach sollen Gemeindepolizisten zukünftig der Länderebene zugeteilt werden. Generell seien Bundespolizisten und die der Länder besser ausgebildet. Saavedra meint dazu kritisch, dass viele Polizisten diese Übernahme "aufgrund ihres niedrigen Bildungsniveaus und ihrer Personalakte nicht schaffen werden". Über das geplante und im deutschen Bundestag kontrovers diskutierte Sicherheitsabkommen zwischen Mexiko und Deutschland, das auch ein Ausbildungsprogramm für mexikanische Polizisten durch ihre deutsche Kollegen beinhaltet, hält sich der Konsul bedeckt und bezeichnet das Thema als "sehr sensibel."

Eine Teilnehmerin der Mahnwache sieht auf Nachfrage auch den deutschen Staat in der Verantwortung: "Deutschland muss aufhören, ein doppeltes Spiel zu betreiben. Auf der einen Seite verurteilen sie die Geschehnisse, auf der anderen Seite begünstigen sie sie.“ Gemeint ist damit das geplante Sicherheitsabkommen, aber auch die illegalen Waffengeschäfte der im baden-württembergischen Oberndorf ansässigen Firma Heckler & Koch mit Mexiko. Die positive Sicht des Konsuls über die Bundespolizisten in Mexiko teilt sie nicht. Bundespolizisten hätten im Dezember 2011 mit illegal gelieferten G36-Gewehren der besagten deutschen Firma zwei Studenten in Guerrero erschossen. Darauf angesprochen meinte Dr. Horacio Saavedra: "Alle Polizisten begehen Fehler."

Unterdessen wurde in der mexikanischen Abgeordnetenkammer in Mexiko-Stadt einer Verfassungsänderung zugestimmt. Die in der Reform behandelten Artikel 11 und 73 regeln das Recht auf Bewegungsfreiheit und ermöglichen fortan staatlichen Autoritäten, dieses Recht gegebenenfalls abzuändern und einzuschränken. Mexikanische Menschenrechtsorganisationen und Anwaltsverbände sehen darin die Wegbereitung für das Beschneiden der Demonstrationsfreiheit.