Streit um Interview des deutschen Botschafters in El Salvador

Regierung von El Salvador wirft dem Diplomaten Einmischung in die inneren Angelegenheiten vor. Kein Kommentar vom deutschen Außenministerium

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Der deutsche Botschafter Haupt (rechts im Bild) zu Besuch bei "El Mundo", mit dem Herausgeber der Tageszeitung, Álvaro Cruz
Der deutsche Botschafter Haupt (rechts im Bild) zu Besuch bei "El Mundo", mit dem Herausgeber der Tageszeitung, Álvaro Cruz

Berlin/San Salvador. Die Botschaft von El Salvador in Berlin hat beim Auswärtigen Amt (AA) gegen das Verhalten des deutschen Botschafters in dem mittelamerikanischen Land, Heinrich Haupt, protestiert. Wie amerika21 aus diplomatischen Quellen des mittelamerikanischen Landes erfuhr, reagierte die Staatsführung damit auf ein Interview, in dem der deutsche Diplomat regierungskritische Positionen vertrat. Mit seinen Äußerungen habe Haupt sich in die inneren Belange des Landes eingemischt, hieß es aus San Salvador.

Haupt ist seit 2012 deutscher Botschafter in El Salvador. Seit seinem Antritt hatte er wiederholt die linke Regierungspartei "Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí" (FMLN) kritisiert. Das umstrittene Interview erschien am 18. Juni in der salvadorianischen Zeitung "El Mundo". Darin sagt der Botschafter unter anderem: "Das Staatsorgan mit dem höchsten Ansehen in diesem Land ist die Verfassungskammer (des Obersten Gerichts) und wie ich sehe, ist sie der Grundpfeiler der Demokratie und des Rechtsstaates."

Damit bezog sich Haupt auf einen schwelenden Konflikt zwischen der Regierung und dem Gericht. Seit 2009, dem Jahr des ersten FMLN-Sieges bei Präsidentschaftswahlen, hat die Verfassungskammer immer weitreichendere Kompetenzen für sich beansprucht. Die Linke in El Salvador spricht vor diesem Hintergrund von einem "schleichenden Justizputsch" gegen die FMLN-Regierungen. In den vergangenen Wochen und Monaten hat sich die Debatte zugespitzt, nachdem die Kammer sich mit mehreren Urteilen faktisch zur unanfechtbaren Autorität in Wahlbelangen erklärt hat.

Gleichzeitig haben die Richter der Verfassungskammer mit einer Reihe von Entscheidungen die finanziellen Spielräume der Regierung eingeengt. So hat die Kammer Ende April 2015 eine moderate Reform, die sich gegen Steuerhinterziehung durch Filialen multinationaler Konzerne und Vertreter der Oberschicht richtete, für verfassungswidrig erklärt. Zuvor hatte sie in gleicher Weise über ein Steueramnestiegesetz von 2014 geurteilt, das gerade zu einem erhöhten Steueraufkommen durch Nachzahlungen geführt hatte.

Am 10. Juni 2015 unterstützte die Kammer eine Verfassungsbeschwerde. Diese richtete sich gegen einen Mehrheitsbeschluss des Parlaments von April, der die Regierung ermächtigte, 900 Millionen US-Dollar neue Schulden aufzunehmen. Zwei Drittel dieses Betrages sollten für die Bezahlung alter Schulden verwendet werden, 200 Millionen US-Dollar für soziale Investitionen und 100 Millionen US-Dollar für die Polizei in ihrem Kampf gegen die enorme Gewalt und Kriminalität im Land. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer massiven Mordwelle im Land. Verantwortlich sind maßgeblich kriminelle "Mara"-Banden. Flankiert wird diese Entwicklung von einer Kampagne der Rechten, die eine angebliche "Untätigkeit" der Regierung im Bereich der Sicherheit anprangert.

Dazu sagte der deutsche Botschafter nun, dem Land stünden ungenutzte 200 Millionen US-Dollar der Interamerikanischen Entwicklungsbank für Sicherheitsbelange zur Verfügung. FMLN-Generalsekretär Medardo González stellte dagegen in einem Radiointerview vom 22. Juni 2015 fest: "Außenminister Hugo Martínez hat bereits erklärt, dass man nicht Mittel von einem Projekt in ein anderes leiten kann." Dies wisse auch der deutsche Botschafter. "Er ist also kein Ignorant, sondern er weiß, dass diese Mittel zweckbestimmt sind", so González weiter.

Dabei ging der FMLN-Vertreter nicht auf Äußerungen des Diplomaten über Staatspräsident Salvador Sánchez Cerén und das von ihm initiierte Projekt eines nationalen Dialogs ein: "Man kann nicht auf der einen Seite einen Dialog fordern und auf der anderen Seite Funktionäre (der Verfassungskammer) kritisieren."

Auf Anfrage von amerika21 wollte das Auswärtige Amt in Berlin den Streit um das Interview nicht weiter kommentieren. "Der Botschafter der Republik El Salvador wurde zu einem Gespräch im Auswärtigen Amt empfangen", bestätigte ein Sprecher des Ministeriums lediglich. Dabei sei über eine Reihe von Fragen gesprochen worden, "die sich aus der bilateralen Zusammenarbeit und der Rolle der deutschen Vertretung vor Ort ergeben".

Unter Mitarbeit von Harald Neuber.