Kolumbien / Politik

Farc weisen Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen Frauen zurück

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Nicht nur an der Front, auch bei den Friedensgesprächen starke Präsenz von Frauen
Nicht nur an der Front, auch bei den Friedensgesprächen starke Präsenz von Frauen

Havanna/Bogotá. Die Friedensdelegation der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) in Havanna hat Anschuldigungen über die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen in ihren Reihen energisch zurückgewiesen. Die Aufständischen sprechen von einer "anhaltenden Medienkampagne". Unter dem Titel "Falsos positivos sexuales - wir brauchen die Wahrheit" spielen die Farc auf eine später aufgedeckte Praxis des kolumbianischen Militärs an, dessen Morde in Tote bei Gefechten umzufälschen.

Die gegen die Farc erhobenen Vorwürfe umfassen sexuellen Missbrauch von Zivilistinnen und Kämpferinnen in den eigenen Reihen, erzwungene Abtreibungen und Sterilisationen sowie sexuelle Versklavung von Frauen. Veröffentlichungen in kolumbianischen Medien thematisieren dies in jüngster Zeit verstärkt. Zeitgleich ist ein Bericht der Abteilung für Menschenrechte der Universität Sergio Arboleda in Bogotá erschienen.

Die Wochenzeitung Semana bezieht sich auf Material, das sie exklusiv von der Staatsanwaltschaft und dem staatlichen Institut für Familienwohl zur Verfügung gestellt bekommen habe, aber wegen der "Sicherheit von Opfern" nicht im Detail veröffentlichen wolle.

Die aktuelle Erklärung der ältesten Guerillaorganisation Lateinamerikas hebt den Frauenanteil von 40 Prozent in ihren Reihen hervor. Nichts könne "realitätsferner" sein als die behauptete Situation von Frauen in der Organisation. Die Farc hätten gültige Regeln der Respektierung und Anerkennung der Rechte der Frauen etabliert. Verstöße würden durch "revolutionäre Kriegsgerichte" hart bestraft.

Im Übrigen sei allgemein bekannt, dass immer wieder kriminelle Gruppen sich des Namens und der Insignien der Guerilla bedient hätten, um Verbrechen zu begehen. Die den Farc vorgeworfenen spezifischen Untaten entsprächen aber vor allem der dem Volk aus Jahrzehnten bekannte Praxis der staatlichen und paramilitärischen Gewalt.

Zur weiteren Klärung der erhobenen Vorwürfe schlägt die Friedensdelegation der Rebellen vor, im Rahmen der Wahrheitskommission zur Aufarbeitung der fünf Jahrzehnte anhaltenden Gewalt eine eigene Arbeitsgruppe über sexualisierte Gewalt im Rahmen des Kriegs einzurichten.

Im gleichen Sinne haben bereits im April des Jahres die kolumbianischen Frauen- und Anwaltsorganisationen Sisma Mujer und Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo gemeinsam mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) eine Strafanzeige gegen Kolumbien beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingereicht. "Sexuelle Übergriffe im bewaffneten Konflikt sind ... Teil der Militärstrategie und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Straflosigkeit der Militärs ist fast uneingeschränkt", führt das ECCHR auf seiner homepage aus.

Die Publikation von Vorwürfen gegen die Farc erhält einen direkten Bezug zu den Friedensgesprächen zwischen Regierung und den Aufständischen Kolumbiens in Havanna. Die Verhandlungen sollen eine Beendigung des ein halbes Jahrhundert andauernden internen bewaffneten Konflikts in dem südamerikanischen Land erreichen.

Neben der Einigung beider Parteien auf die Einrichtung einer Wahrheitskommission herrscht noch völlige Unklarheit über einen möglichen justiziellen Umgang mit den Kriegshandlungen. Der Präsident Kolumbiens, Juan Manuel Santos, hat erst jüngst bezüglich einem Ende der Straflosigkeit für die vom Militär verübten Verbrechen bekundet, dass er "die Legitimität der Streitkräfte bis zum Grab" verteidigen werde. Hingegen vertritt er, dass für einen Friedensschluss die Führung der Guerilla vor Gericht müsse.

Nun hat der Generalstaatsanwalt Kolumbiens, Eduardo Montealegre, mitten in die medienweite Beschuldigung der Guerilla wegen sexueller Gewalt mitgeteilt, dass er "bis Ende August" Anklagen wegen Kriegsverbrechen gegen die Führungsspitze der Farc, die auch einen Teil der Friedensdelegation in Havanna stellt, fertiggestellt haben werde.