Chile / Menschenrechte

In Chile wird über Abtreibungsregelung entschieden

Gesetz aus Zeiten der Diktatur soll liberalisiert werden. Widerstände seitens Kirche, rechter Parteien und Teilen des Regierungsbündnisses

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Kollage zur Unterstützung der Drei-Indikationen-Lösung
Kollage zur Unterstützung der Drei-Indikationen-Lösung

Santiago de Chile. Die Gesundheitskommission des chilenischen Kongresses hat den Gesetzentwurf zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen von Präsidentin Michelle Bachelet befürwortet, er kann nun dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden. Der Entwurf, der drei Indikationen für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch vorsieht, befand sich monatelang zur Prüfung bei der Kommission, wo feministische Verbände und Konservative über die Einzelheiten des zukünftigen Gesetzes streiten.

Die amtierende Präsidentin hatte unlängst knapp verlauten lassen, man halte trotz der aufgetretenen Widerstände an dem Projekt fest. Diese gehen von der katholischen Kirche und Aktivistinnen und Aktivisten der rechten Parteien wie Democracia Cristiana (Christliche Demokratie), aber auch von Vertretern der Regierungskoalition Nueva Mayoría (Neue Mehrheit) aus, die sich bei allen vorangegangenen Projekten zur Flexibilisierung der Abtreibungsregelung quergestellt hatten. Bisher sind Schwangerschaftsabbrüche in Chile ausnahmslos strafbar.

Der von Bachelet vorgelegte Entwurf gestattet Schwangerschaftsabbrüche, wenn eine der drei folgenden Bedingungen gegeben ist: 1. wenn das Baby nicht lebensfähig ist; 2. wenn die Geburt das Leben der Frau gefährdet; 3. wenn die Schwangerschaft das Resultat einer Vergewaltigung ist. Etwa drei Prozent der insgesamt etwa 120.000 bis 160.000 von Chileninnen vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche gehen auf einen dieser Gründe zurück.

Nach dem Entwurf der Nueva Mayoría sollen Abtreibungen bis zur 12. Woche möglich sein. Ist die Schwangere jünger als 14 Jahre, ist der Abbruch bis zur 18. Woche möglich, da viele der jungen Mädchen sich der Schwangerschaft erst viel später bewusst werden.

Zwischen 1931 und 1989 war ein Schwangerschaftsabbruch zulässig, wenn eine ärztlich attestierte Fehlbildung des Fötus vorlag. Schwangerschaftsabbrüche aufgrund sozialer und wirtschaftlicher Gegebenheiten waren ebenfalls möglich.

Im Jahr 1989 wurde jedoch während der Diktatur Augusto Pinochets (1973-1990) den Interessen der rechtskonservativen Regierungspartei Unión Demócrata Independiente (UDI) folgend ein generelles Abtreibungsverbot durchgesetzt. Die UDI steht bis heute im engen Verbund mit der ultrakonservativen kirchennahen Organisation Opus Dei, die auf dem Standpunkt steht, dass jeder Fötus als Gottesgeschenk zu betrachten und auszutragen sei.

25 Jahre nach der Wiedereinführung der Demokratie in Chile besteht immer noch das während der Diktatur eingeführte absolute Abtreibungsverbot. Zuwiderhandlungen werden mit drei bis fünf Jahren Gefängnis bestraft.

Feministische Organisationen versuchen, die Einführung des Gesetzes durch verschiedene Aktionen voranzutreiben und fordern darüber hinaus, dass Frauen ein generelles Recht auf Schwangerschaftsunterbrechung zugestanden wird.

Die Organisation Miles-Chile setzt sich mit einer Videokampagne für das Inkrafttreten der Drei-Indikationen-Lösung ein. In früheren Zeiten hatten Frauen Unfälle vorgetäuscht, um eine ungewollte Schwangerschaft ohne Verdacht zu erregen, unterbrechen zu können. Der Videoclip bezieht sich in ironischer Weise auf diese Tradition und lässt Frauen zu Wort kommen, die Tipps geben, wie man durch einen Unfall einen Schwangerschaftsabbruch provozieren kann, ohne Verdacht zu erregen, zum Beispiel die Treppe hinunterfallen oder wegen eines gebrochenen Absatzes zu Boden stürzen.

Die Kampagne “Ohne Entscheidungsfreiheit keine freien Menschen” wird von verschiedenen feministischen Organisationen getragen, die sich für ein freies Abtreibungsrecht aussprechen und davon ausgehen, dass Frauen ein Recht haben, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, unabhängig von bestimmten religiös geprägten Wertvorstellungen. Diese Kampagne konzentriert sich wie alle internationalen Verbände und Konferenzen darauf, die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu beenden.

Das Ergebnis der Abstimmung im Kongress, die für den 8. September vorgesehen ist, wird indes mit Spannung erwartet. Obwohl Bachelet über eine absolute Mehrheit verfügt, ist der Ausgang unsicher, da es auch in den Reihen des Regierungsbündnisses Nueva Mayoría Widerstände gegen den Gesetzentwurf gibt.