Entsetzen in Mexiko über Mord an Fotoreporter

Permanent geraten Journalisten ins Fadenkreuz von Politik und Verbrechen. Am Wochenende gab es mehrere Morde quasi mit Vorankündigung

ruben_espinosa.jpg

Die Kampagne " Gerechtigkeit für Rubén  - nicht ein einziger mehr" protestiert gegen die Morde an Journalisten in Mexiko
Die Kampagne " Gerechtigkeit für Rubén - nicht ein einziger mehr" protestiert gegen die Morde an Journalisten in Mexiko

Mexiko-Stadt. In mehreren mexikanischen Städten sind Journalisten und Aktivisten von Menschenrechtsorganisationen und sozialen Bewegungen auf die Straßen gegangen, um ihr Entsetzen und ihre Wut über den Mord an dem Journalisten Rubén Espinosa auszudrücken und gegen die Straflosigkeit zu demonstrieren.

Zusammen mit vier Frauen wurde der Fotoreporter in der Nacht vom 31. Juli tot und mit Folterspuren am Körper in einer Wohnung in der Colonia Narvarte in der mexikanischen Hauptstadt aufgefunden. Der 31-jährige Espinosa berichtete unter anderem für das renommierte Wochenmagazin Proceso und die Fotoagentur Cuartoscuro vor allem über soziale Proteste. Von Seiten der Staatsanwaltschaft gibt es noch keine Hinweise auf Motive oder Identität der Täter.

Forderungen nach einer unverzüglichen Aufklärung des Falls sind nicht nur von nationalen und internationalen Organisationen wie dem Menschenrechtsrat der UN zu hören. Angehörige der Opfer, Menschenrechtsorganisationen und mexikanische Medien betonen vor allem die Tragweite und die dem Verbrechen voraus gegangenen Ereignisse. So befand sich Rubén Espinosa seit fünf Wochen in Mexiko-Stadt in einem selbst auferlegten Exil. Er war aus dem Bundesstaat Veracruz geflohen, wo er aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit bereits seit längeren um sein Leben fürchtete.

Die Menschenrechtsorganisation Artículo 19, die sich weltweit für das Recht auf Pressefreiheit einsetzt, warnte schon am 15. Juni vor einer Gefährdung Espinosas. Aufgrund seiner Arbeit galt er, nach eigenen Worten, der Landesregierung als "unbequemer Fotograf" - auch wegen veröffentlichter Fotos, die dem Gouverneur von Veracruz, Javier Duarte Ochoa, missfallen haben.

Mit Blick auf die Gewaltwelle in diesem Bundesstaat sagte Espinosa: "Der Tod wählte Veracruz als sein Zuhause und dort entschied er zu wohnen." Gemeint sind damit nicht nur die seit dem Jahr 2000 landesweit 103 ermordeten Medienschaffenden, sondern dass allein in der laufenden Amtszeit  von Duarte Ochoa (2010-2016) 19 Journalisten ums Leben kamen oder als verschwunden gelten. Es ist nun das erste Mal, dass die tödlichen Verhältnisse des Heimatbundesstaates einen vertriebenen Journalisten in Mexiko-Stadt einholen.

Zu den Ermordeten in der Nacht auf Samstag zählt ebenso Nadie Vera. Sie war eine der vier ermordeten Frauen, die allesamt vor ihremTod vergewaltigt wurden. Auch deswegen müssen die Untersuchungen in diesem Fall die Spirale der vergeschlechtlichten Gewalt berücksichtigen, wie es der Direktor von Amnesty International in Mexiko einfordert.

Die 32-jährige Vera war in politischen und kulturellen Initiativen in Veracruz tätig, darunter in der studentischen Bewegung YoSoy132. Vor acht Monaten kritisierte sie in einem Videointerview Duarte Ochoa. Darin attestierte sie ihm, dass er mit Blick auf die Gewaltdynamik "keinen Sinn für die politischen Kosten" habe: "Hier sind wir alle ein Problem, die der Regierung und dem Verbrechen im Weg stehen. Wir sind zwischen zwei Fronten der legalen und der illegalen Repression. Denn es ist das Verbrechen, das in diesem Staat regiert."

Das alternative Nachrichtenportal Subversiones veröffentlichte kürzlich Auszüge aus einem Interview von vor zwei Jahren mit Duarte Ochoa. Damals gab er zu verstehen: "Es hat mich viel Arbeit gekostet, Veracruz zu kontrollieren und jetzt bewegt sich nichts, ohne dass wir davon wissen." Heriberto Paredes, Mitarbeiter von Subversiones, wies unlängst darauf hin, dass in Veracruz "das Verbrechen und die Regierung Hand in Hand gehen": Sicherheitsleute rund um den Gouverneur tragen ein verstecktes Emblem mit einem "Z" - das Zeichen für das Kartell der Zetas.

In diesen Tagen schrieb Marcela Turati, eine befreundete Journalistin von Espinosa: "Rubén, mir tut es sehr weh, dass wir dich nicht haben retten können. Obwohl du angeklagt hast, obwohl du gerufen hast, obwohl du darauf hingewiesen hast, obwohl du um Hilfe gebeten hast, bist du heute tot. Aber sei gewiss, wir werden nicht Ruhe geben... Dass du, Rubén, nicht mit dir sterben wirst.“