Kritik an Ermittlungen im Mordfall Espinosa in Mexiko

Menschenrechtskommission und Journalisten werfen der Staatsanwaltschaft vor, unprofessionell zu arbeiten und die Aufklärung zu erschweren

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Protestaktion in Xalapa, der Hauptstadt des Bundesstaates Veracruz, gegen Gouverneur Duarte
Protestaktion in Xalapa, der Hauptstadt des Bundesstaates Veracruz, gegen Gouverneur Duarte

Mexiko-Stadt. Im Falle des fünffachen Mordes in Mexiko-Stadt verstricken sich die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft zunehmend in formale Unregelmäßigkeiten und Verstöße. Der Fotograf Rubén Espinosa war dort am 31. Juli zusammen mit der Aktivistin Nadia Vera, der Studentin Yesenia Quiroz, der kolumbianischen Staatsbürgerin Mile Virginia Martin und der Hausangestellten Alejandra Negrete gefoltert und getötet worden.

Nachdem die zuständigen Behörden der mexikanischen Hauptstadt bereits wenige Tage nach dem Verbrechen einen mutmaßlichen Täter verhafteten und dieser seine Beteiligung an der Tat bestätigt haben soll, werden nun Zweifel an der offiziellen Version geäußert. Laut der Menschenrechtskommission der Hauptstadt (CNDHDF), habe der vorbestrafte 41-jährige Daniel Gutiérrez Pacheco berichtet, im Zuge seiner Festnahme gefoltert worden zu sein. Sollte der Vorwurf bestätigt werden, stünde die Staatsanwaltschaft mit leeren Händen da, denn ihre Version der Ereignisse stützt sich hauptsächlich auf die von Pacheco angeblich getätigten Aussagen.

Weitere Kritiken, die unter anderem auch von Espinosas Kollegen vom Wochenmagazin Proceso geäußert werden, bezichtigen die Behörden, sich zu sehr auf ein Raubmotiv zu fokussieren und dadurch einen politischen Hintergrund der Tat zu verleugnen. Sowohl Espinosa als auch Vera kommentierten in den letzten Monaten vermehrt die Verstrickung von Javier Duarte Ochoa, Gouverneur des Bundesstaates Veracruz, in die politische Repressionswelle gegenüber kritischen Stimmen. Espinosa musste aufgrund von Morddrohungen aus Veracruz fliehen.

Auch wird der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, selektiv, unzusammenhängend und teilweise verfälscht Informationen aus den laufenden Untersuchungen gegenüber ausgewählten Massenmedien durchsickern zu lassen. Dadurch werde gezielt ein verzerrtes und diskreditierendes Bild der Opfer geschaffen. Der eigentliche Kontext und die Zusammenhänge der Tat rückten so zunehmend in den Hintergrund.

In der Landeshauptstadt von Veracruz, Xalapa, finden indes seit den Morden zahlreiche Demonstrationen und öffentliche Protestaktionen statt, die den Gouverneur ins Visier nehmen. Diese gehen auch von studentischen Organisationen aus, zu denen Nadia Vera gehörte. Das Klima der Spannungen nimmt seitdem keineswegs ab. Das studentische Gremium Comité Universitario de Lucha von der Universität Veracruz teilte unlängst mit, dass in zivil gekleidete Polizisten und weitere Funktionäre "unsere Straßen und Viertel umrunden, unsere Häuser beobachten, uns fotografieren. So ergeht es uns, mit dem Stachel der Bedrohung im Nacken. Wir haben gesehen, wie sie sich nähern."

Gilt Mexiko seit Jahren als gefährlichstes lateinamerikanisches Land für Medienschaffende, treibt es Veracruz seit der Amtszeit von Duarte im Dezember 2010 auf die Spitze: Espinosa war bereits der 14. Tote. Oftmals haben Journalisten die alternativlose Wahl zwischen Selbstzensur, Flucht oder permanenten Bedrohungszustand. Es heißt daher, es sei nicht ungewöhnlich, dass Journalisten auf der Gehaltsliste der Regierung stünden – oder auf der des organisierten Verbrechens.

Ein Zusammenhang dieser Art könnte bei diesem Vorfall bestehen, der sich erst kürzlich in der Stadt Orizaba in Veracruz ereignete: Am 13. August erschossen Unbekannte in einer Gaststätte sechs Menschen. Zu den Toten zählen der lokale Chef des Drogenkartells Los Zetas und ein ehemaliger Angestellter des großen Medienkonzerns Televisa. Zwei weitere Journalisten der Zeitung El Buen Tono, die sich ebenfalls bei der angegriffenen Gruppe aufhielten, aber nicht angegangen wurden, entließ der Chef kurzerhand mit den Worten: "Warum haben meine Reporter mit dem lokalen Drogenchef Likör getrunken? Ich glaube nicht, dass sie da waren und über Journalismus oder freie Meinungsäußerung geredet haben."