Neuer Anlauf zur Aufklärung von Verbrechen der Diktatur in Chile

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Es wird vermutet, dass viele Menschenrechtsverletzungen aus der Pinochet-Ära durch Schweigepakte innerhalb der chilenischen Streitkräfte bis heute gedeckt werden. Eine neue Institution soll Licht ins Dunkel bringen
Es wird vermutet, dass viele Menschenrechtsverletzungen aus der Pinochet-Ära durch Schweigepakte innerhalb der chilenischen Streitkräfte bis heute gedeckt werden. Eine neue Institution soll Licht ins Dunkel bringen

Santiago de Chile. Inmitten einer laufenden Debatte über den Umgang mit politischen Morden während der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet (1973-1990) hat die Präsidentin Michelle Bachelet erste Konsequenzen gezogen. Am 17. August wurde eine Spezialeinheit gegründet, die Informationen über die Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur sammeln soll, um mögliche Schweigepakte innerhalb der Streitkräfte aufzudecken. Die neue Institution wird dem ehemaligen Richter des chilenischen Berufungsgerichts, Alejandro Solís, unterstehen. Solís ist für Verurteilungen in emblematischen Menschenrechtsprozessen des Pinochet-Regimes bekannt. 2008 befand er Manuel Contreras, den ehemaligen Chef der Geheimpolizei Pinochets, der Ermordung des ehemaligen chilenischen Armeechefs Carlos Prats und dessen Frau im Jahr 1974 schuldig und verurteilte ihn zu zwei Mal lebenslanger Haft.

Die chilenische Justiz führt aktuell über tausend Prozesse gegen ehemalige staatliche Funktionäre wegen Mord, Entführung, Verschwindenlassen und Folter, verübt während der Diktatur – allerdings mit geringem Erfolg. Zurückgeführt wird die hohe Straflosigkeit von Opferverbänden, zahlreichen Politikern sowie einiger Militärs auf Pakte des Schweigens, die die Menschenrechtsverletzungen der Streitkräfte auch Jahrzehnte nach dem Ende der Diktatur decken. Laut Aussagen der wenigen ehemaligen Militärs oder Polizisten, die derartige Fälle enthüllten, wurde das Schweigen der jeweiligen Eingeweihten durch Geldzuwendungen oder Drohungen gewährleistet.

Auch der jüngst debattierte "Fall der Verbrannten", bei dem es erst nach den Enthüllungen eines Ex-Militärs fast 30 Jahre nach der Tat zu Verurteilungen kam, ist nur die Spitze des Eisbergs. So berichtet ein Artikel der chilenischen Tageszeitung El Mostrador über ein geheimes Militärbündnis, das sich 2002 wieder zusammenfand, um den drohenden Aufdeckungen in Menschenrechtsprozessen entgegenzuwirken – mit Erfolg. Und für Richter Solís gehörten Schweigepakte laut eigener Aussage während seiner Zeit am Berufungsgericht zum Alltag.

Der sogenannte Caso quemados (Fall der Verbrannten) betrifft zwei Jugendliche, die im Jahr 1986 von Polizisten mit Benzin übergossen und angezündet wurden. Einer von ihnen, der Fotograf Rodrigo Rojas De Negri, starb an den Verbrennungen. Carmen Gloria Quintana überlebte mit schweren Brandwunden. Laut offiziellen Erklärungen des Militärs hatten die Jugendlichen Bomben mit sich getragen und selbst das Feuer entfacht. Das entpuppte sich später als Lüge.

Bis heute befindet sich eine Vielzahl der Täter aufgrund fehlender Verurteilungen, Freisprüchen oder zur Bewährung ausgesetzter Strafen in Freiheit. Auf die neue Spezialeinheit wartet also viel Arbeit. Und die Zeit drängt, da die Täter nach und nach sterben oder strafunfähig werden.