Argentinischer Ex-Militär in Italien vor Gericht

Ehemaliger Folterer lebte als freier Mann in Italien. Durch Bemühungen der internationalen Menschenrechtsbewegung konnte nun Anklage erhoben werden

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Die argentinische Regierung hatte  Malatto zur Fahndung ausgeschrieben
Die argentinische Regierung hatte Malatto zur Fahndung ausgeschrieben

Rom/San Juan. Durch einen Beschluss des italienischen Justizministeriums wird der ehemalige Oberstleutnant Carlos Luis Malatto in Italien vor Gericht gestellt. Dem Argentinier, der auch die italienische Staatsbürgerschaft besitzt, werden Verbrechen gegen die Menschheit vor und während der Militärdiktatur (1976-1983) angelastet. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Italiens einen Auslieferungsantrag von Argentinien abgelehnt.

Laut italienischem Recht kann die Justiz von italienischen Staatsbürgern im Ausland verübte Delikte strafrechtlich verfolgen, sofern dies vom Justizminister bewilligt wird. So geschehen im Fall Malattos, nachdem die italienische Menschenrechtsorganisation "24 Marzo Onlus" den Ex-Militär angezeigt hatte. Die internationale Strafverfolgung kam durch die Zusammenarbeit zwischen der Organisation und der in Argentinien zuständigen Richterin Margarita Camus zustande.

Der heute 66-jährige Malatto war während der Diktatur dem Infanterieregiment von San Juan im Westen Argentiniens zugeordnet. Laut dem Vorsitzenden von "24 Marzo Onlus", Jorge Ithurburu, ist der Militär angeklagt, zwischen 1975 und 1977 am Verschwindenlassen, den Folterungen sowie dem Tod von mindestens drei in San Juan entführten Männern und einer Frau mitgewirkt zu haben: Angel José Alberto Carvajal, Juan Carlos Cámpora, Jorge Alberto Bonil und Marie Anne Erize.

Malatto war 2010 in Argentinien durch einen Beschluss der Bundesstrafkammer von Mendoza auf freien Fuß gelangt. Heute wird gegen die Richter ebenfalls wegen Menschenrechtsverbrechen ermittelt. Die Gelegenheit nutze der Ex-Militär, um 2011 über die Anden nach Chile zu fliehen und von dort aus nach Italien auszureisen. Dort wohnte er bei einem Pfarrer in Genua, auch ein argentinischer Staatsbürger, der nichts von seiner Vorgeschichte gewusst haben will.

Wie Malatto sind rund 70 von der argentinischen Justiz verfolgte Militärs flüchtig. Aufgrund der Massenmigration aus Italien nach Argentinien im 19. und 20. Jahrhundert besitzen heute Tausende Argentinier einen italienischen Pass, darunter Opfer und Täter der Militärdiktatur. Angesichts dieser historischen Verbindung "solle Italien nicht zum Refugium für lateinamerikanische Folterer werden", erklärt Jorge Ithurburu die Initiative seiner Organisation, Malatto anzuzeigen.

Während der lateinamerikanischen Diktaturen gingen auch viele Regimegegner ins europäische Exil. Die daraus entstandenen Solidaritätsbewegungen sind bis heute in der Strafverfolgung der Militärs engagiert. 1983 eröffnete die italienische Justiz das erste Diktaturverfahren. Seither wurden mehrere Großverhandlungen geführt, in denen unter anderem Ex-Generäle der argentinischen Marineschule ESMA, dem größten Geheimgefängnis der Diktatur, verurteilt wurden. Im Unterschied zu Deutschland ist dies sogar in Abwesenheit der Angeklagten rechtmäßig.

Aktuell wird in Rom gegen rund dreißig Mitglieder der Militärjuntas von Bolivien, Chile, Peru und Uruguay wegen Beteiligung an der sogenannten Operation Condor prozessiert, darunter auch der uruguayische Ex-Militär Jorge Néstor Troccoli. Durch die Initiative der Angehörigen der italienischen Verschwundenen ermittelt die Staatsanwaltschaft in Rom seit Ende 2014 wieder. Bei der Operation Condor arbeiteten die Repressionskräfte in Südamerika mit Unterstützung der USA zusammen, um linke und oppositionelle Kräfte zu verfolgen und zu töten. Tausende Menschen wurden gefoltert und ermordet oder entführt und verschwanden dann meist spurlos.