Wirtschaftsnotstand in Venezuela tritt nicht in Kraft

Ablehnung im Parlament. Nationaler Rat der produktiven Wirtschaft soll als parteiübergreifende Allianz Wege zur Lösung der Krise finden

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Präsident Maduro stellt den  Nationalen Rat der produktiven Wirtschaft vor
Präsident Maduro stellt den Nationalen Rat der produktiven Wirtschaft vor

Caracas. Das von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro am 15. Januar unterzeichnete Dekret über den Wirtschaftsnotstand ist durch die Nationalversammlung (AN) mit 107 Nein- zu 53 Ja-Stimmen abgelehnt worden. Das Oppositionsbündnis "Tisch der Demokratischen Einheit" (MUD) verfügt seit den Wahlen vom vergangenen 6. Dezember über eine Mehrheit von 109 Stimmen im Parlament, das Linksbündnis Großer Patriotischer Pol kommt auf 54 Abgeordnete. Vier weitere Mandate werden noch vom Obersten Gericht überprüft, davon drei des MUD.

Zuvor hatte eine Parlamentskommission das Dekret analysiert und den Abgeordneten empfohlen, diesem nicht zuzustimmen, unter anderem weil wichtige Themen wie der Wechselkurs und das Haushaltsdefizit nicht berücksichtigt würden. Parlamentspräsident Henry Ramos Allup von der sozialdemokratischen Partei Demokratische Aktion urteilte über das Dekret, dass es sich stets wiederholende Maßnahmen beinhalte, die vor allem aus Kontrollen und Interventionen bestünden. Das durch das Parlament abgelehnte Notstandsdekret sollte 60 Tage gültig sein und der Exekutive zahlreiche Befugnisse einräumen, unter anderem die Verfügung über Haushaltsmittel, die Möglichkeit, den Zugriff auf Bargeld einzuschränken sowie in Privatunternehmen zu intervenieren. Es sah jedoch keine konkreten wirtschaftspolitischen Maßnahmen vor.

Am Samstag versammelten sich zahlreiche Regierungsanhänger an verschiedenen Orten des Landes, um über das Notstandsdekret zu diskutieren und die Regierung zu unterstützen.

Ebenfalls in der vergangenen Woche präsentierte Präsident Nicolás Maduro den neu geschaffenen Nationalen Rat der produktiven Wirtschaft. Dieser setzt sich aus Vertretern des Staates, der Privatwirtschaft, Basisorganisationen und Akademikern zusammen und soll Lösungen für die schwere ökonomische Krise entwickeln. Angesichts der politischen Polarisierung des Landes ist die Zusammensetzung des Rates bemerkenswert: unter den 45 Teilnehmern befinden sich führende Personen aus der Privatwirtschaft, so zum Beispiel vom landwirtschaftlichen Unternehmerverband (Fedeagro), langjähriger Gegner der Regierungspolitik im Hinblick auf Land und Saatgutpolitik. Vertreten sind auch die venezolanische Zentralbank und die staatliche Telefongesellschaft CANTV. Dem Rat gehören auch die sozialistischen Gouverneure der Bundesstaaten Aragua und Tachira sowie der oppositionelle Gouverneur von Lara und Ex-Chavist, Henri Falcon, an. Via Twitter verteidigte dieser seine Teilnahme: Es gebe Zeiten, in denen die ideologische Rhetorik beiseite geräumt werden müsse, um Lösungen für die Probleme der venezolanischen Bevölkerung zu finden. Vorsitzende des Komitees sind der Anfang Januar in sein Amt eingeführte Vizepräsident Aristóbulo Istúriz und der neue Minister für Produktivwirtschaft, Luis Salas, der für eine Politik einer verstärkten staatlichen Kontrolle über die Wirtschaft steht. Istúriz hat erste Vorschläge des Rates für Dienstag angekündigt.

Das neu ins Leben gerufene Gremium besteht aus neun Arbeitsgruppen, die der von Maduro vorgestellten Strategie der neun Motoren folgen. Diese umfasst die folgenden Sektoren: Kohlenwasserstoffe (Öl und Gas), Petrochemie, Landwirtschaft, Bergbau, Telekommunikation und Informatik, Bauwesen, Industrie, Rüstungsindustrie und Tourismus. Des Weiteren rief Maduro den Plan 50 aus, der die Herstellung von 50 Gütern vorsieht, welche eine hohe Bedeutung für die nationale Wirtschaft hätten.

Unterdessen haben Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Freitag auf einer Pressekonferenz Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung der lateinamerikanischen Staaten und der Karibik veröffentlicht. Alejandro Werner, Direktor der Abteilung für Lateinamerika, erklärte, der IWF erwarte für das Jahr 2016 in Venezuela eine Inflation von 720 Prozent sowie ein Schrumpfen der Wirtschaft um acht Prozent.