UN: Julian Assange ist Opfer willkürlicher Inhaftierung

UN-Arbeitsgruppe spricht sich für Freilassung des Wikileaks-Mitbegründers aus. Großbritannien und Schweden erklären Urteil für "nicht relevant"

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Assange zeigt den Beschluss der UN-Arbeitsgruppe auf dem Balkon der ecuadorianischen Botschaft in London
Assange zeigt den Beschluss der UN-Arbeitsgruppe auf dem Balkon der ecuadorianischen Botschaft in London

Genf/London/Quito. Am Freitag hat die unabhängige Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen der Vereinten Nationen (UN) bei einer Pressekonferenz in Genf erklärt, dass Julian Assange "verschiedenen Formen der Freiheitsberaubung ausgesetzt" worden sei. Er müsse freigelassen und für die Zeit der fünfeinhalb Jahre Verhinderung seiner Bewegungsfreiheit entschädigt werden. Großbritannien und Schweden erkennen diese Entscheidung nicht an.

Die Arbeitsgruppe hatte sich mit dem Fall 16 Monate lang beschäftigt. Sie kommt zu dem Schluss, dass Assange dreimal willkürlich in Großbritannien gefangen gehalten wurde: zunächst in Isolationshaft im Gefängnis, dann unter Hausarrest und zuletzt unter dem Schutz Ecuadors in der Botschaft in London. Die britische Regierung hat stets betont, dass sie Assange bei Verlassen der Botschaft sofort verhaften und nach Schweden ausliefern wird. In der ganzen Zeit habe es keine Vernehmung und keine Anklage gegeben. Somit habe Assange auch keine Möglichkeit gehabt, sich mit rechtlichem Beistand zu den Beschuldigungen zu äußern. Bisher hat Schweden, das seine Auslieferung fordert, sich geweigert, Assange in der Botschaft Ecuadors zu dem Fall zu befragen. Wie eine seiner Anwältinnen bei ihrer Pressekonferenz in London erklärte, habe es Befragungen dieser Art in 60 anderen Fällen schon gegeben.

Vonseiten der Regierungen in Großbritannien und Schweden kamen umgehend Erklärungen, dass die Entscheidung für sie keine Relevanz habe. Der Außenminister von Großbritannien, Philip Hammond, äußerte gegenüber der Presse, dass Assange freiwillig in die Botschaft Ecuadors gegangen sei, er könne diese jederzeit verlassen. Daher könne nicht von einer willkürlichen Verhaftung gesprochen werden. Die Argumentation der UN-Arbeitsgruppe, dass er dann sofort verhaftet und an Schweden ausgeliefert werden würde, spiele keine Rolle. Assange müsse sich der Situation stellen.

Der Botschafter Ecuadors in Berlin, Jorge Jurado, bezeichnete im Gespräch mit amerika21 die UN-Entscheidung als politischen Sieg. Es sei für ihn nicht überraschend, dass die Regierungen von Großbritannien und Schweden diese nicht anerkennen. Sie wären immer noch im kolonialen Denken verhaftet, was bedeute, dass sie Entscheidungen von internationalen Institutionen nur anerkennen, wenn diese in ihrem Sinne ausfielen. Jurado bestätigte, dass Ecuador seit langem mit Schweden über die Befragung Assanges in Großbritannien verhandelt habe, bisher ohne Erfolg. Er sei jedoch optimistisch, dass in Kürze eine Lösung gefunden werde. Für den Botschafter steht fest, dass nur durch den Druck von Regierungen, Institutionen und sozialen Bewegungen die Freiheit von Julian Assange erreicht werden kann.

Der Wikilekaks-Mitbegründer nahm via Skype an der Pressekonferenz seines Verteidigungsteams teil und erschien später auf dem Balkon der ecuadorianischen Botschaft. Für ihn sei das Votum ein Sieg, der Folgen haben müsse, erklärte er. Wie schon seine Anwälte warf er Großbritannien und Schweden vor, dass sie das Verfahren bei den UN anerkannt und in den vergangenen zwei Wochen Zeit hatten, sich dazu zu äußern – diese Möglichkeit aber nicht wahrgenommen hätten. Nun, da sie verloren haben, wollten sie Widerspruch erheben, so Assange weiter. Für den Außenminister Ecuadors, Ricardo Patino, zeigt dieses Verhalten, dass es sich bei dem Verfahren gegen den Whistleblower um eine politische Verfolgung handle.

Julian Assange hat über Wikileaks zahlreiche geheime Dokumente der USA veröffentlicht, darunter Informationen zu den Kriegen im Irak und Afghanistan. Die schwedische Justiz hatte 2010 die Ermittlungen gegen ihn wegen sexueller Belästigung und Vergewaltigung begonnen. Er wurde in Großbritannien verhaftet und stand dann unter Hausarrest. Nachdem sein Antrag gegen die Auslieferung an Schweden abgelehnt wurde, begab er sich zur Botschaft Ecuadors und bat um politisches Asyl. Er ging davon aus, dass sein Leben in Gefahr ist, wenn er nach Schweden und von dort in die USA ausgeliefert wird. In den USA wird ihm der Verrat militärischer Geheimnisse vorgeworfen. Die Regierung von Ecuador gewährte ihm Asyl. Assange befindet sich seit mehr als drei Jahren in der Botschaft ohne sie verlassen zu können, auch nicht für medizinische Untersuchungen. Freies Geleit zur Ausreise nach Ecuador verweigert ihm die britische Regierung.