Landkonflikte in Brasilien nehmen an Schärfe zu

Gewalt gegen landlose Bauern und Aktivisten im Bundesstaat Rondônia explodiert. Polizei und Presse machen Bewegungen der Landarbeiter verantwortlich

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Wurde am 7. Januar ermordet: die Fischerin und Aktivistin Nilce de Souza Magalhães
Wurde am 7. Januar ermordet: die Fischerin und Aktivistin Nilce de Souza Magalhães

Porto Velho. Die brasilianische Landpastorale Comissão Pastoral da Terra (CPT) äußert sich besorgt über die Zunahme von Gewalt bei Landkonflikten. Die Kommission hat im Februar die neuesten Zahlen veröffentlicht. 2015 wurden demnach 21 Menschen im brasilianischen Bundesstaat Rondônia bei Konflikten um Land ermordet. "Das schlimmste ist, dass die Welle der Gewalt weitergeht. Allein im Januar 2016 sind weitere vier Menschen ermordet worden", so die CPT.

Landlose Bauern in Amazonien werden bedroht, vertrieben, beraubt – und auch ermordet. Landstreitigkeiten enden in Brasilien inzwischen immer öfter tödlich, statistisch gesehen, verzeichnet der Bundesstaat Rondônia dabei die meisten Todesfälle in Brasilien. "Viele Morde gleichen einer Hinrichtung", so die Einschätzung der CPT.

Nach Informationen der Landpastorale ist am 7. Januar die Aktivistin der Bewegung der Staudammbau-Geschädigten (Movimento dos Atingidos por Barragens, MAB) Nilce de Souza Magalhães, bekannt als Nicinha, von drei Schüssen getötet worden. Der Mord sei in Velha Mutum Paraná geschehen, einem Zeltlager von Betroffenen des Wasserkraftwerks Jirau.

Am 23. Januar dieses Jahres sind Enilson Ribeiro dos Santos und Valdiro Chagas de Moura, Anführer des Lagers Paulo Justino, im Ort Jaru ermordet worden. Ein Motorradfahrer habe sie verfolgt und getötet, sagt die CPT.

Ende Januar hätten Bewaffnete am Ort Cujubim fünf Jugendliche angegriffen. Wenige Tage zuvor waren sie mit anderen aus ihrem Camp auf dem Landgut Tucumã vertrieben worden. Die jungen Leute wären zurückgekehrt, um ihre Sachen zu holen. Dort wurden sie von bewaffneten Schützen überrascht. Drei der Jugendlichen konnten flüchten, zwei sind verschwunden.

Die CPT in Rondônia macht den Großgrundbesitz für den jüngsten Gewaltausbruch verantwortlich, der "von Auftragsmördern, der staatlichen Repression und der Unangreifbarkeit von großen Landbesitzern, Immobilienspekulanten und illegalen Landbesetzern unterstützt wird.“

In einer im Internet veröffentlichten Stellungnahme der Organisation heißt es weiter: "Die Landfrage in Rondônia gleicht einem Pulverfass, das jeden Moment explodieren kann. Denn Großgrundbesitzer organisieren sich gerade in Agrar-Verbänden, um ihre Interessen zu verteidigen". Auf der anderen Seite gebe es Hunderte von landlosen Familien, die an den Straßenrändern campierten, entschlossen, ein Stück Land für sich zu erobern. Sie warten auf die Agrarreform, die seit Jahren nicht vorankommt.

Die CPT äußert außerdem ihre Besorgnis darüber, dass Polizei und Presse die Bewegungen der Landarbeiter für die jüngste Gewaltexplosion verantwortlich zu machen scheinen. Der Kommandant der Militärpolizei, Ênedy Dias, der Maßnahmen zur Eindämmung der Gewalt koordinieren sollte, hatte gesagt: "Wir werden nicht ruhen, ehe wir alle Kriminellen festgenommen haben, die ich eigentlich als Terroristen sehe. Diese sogenannten Landlosen agieren wie Terroristen. Wir werden sie auf ihren Platz verweisen."

Davon alarmiert fordert die Landpastorale eine unabhängige Untersuchung der Mordfälle und die Bestrafung der Verantwortlichen. Im Schreiben vom 10.Februar bringt sie ihren Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit zum Ausdruck und fordert das Grundrecht auf Land, Leben und Überleben ein. Außerdem bekräftigt sie ihre Forderung nach der dringend notwendigen Agrarreform in Brasilien.