Flüchtlingslager zum Schutz vor Paramilitärs in Kolumbien errichtet

Hunderte Familien auf der Flucht vor dem Terror paramilitärischer Banden. Lager in Eigeninitiative aufgebaut. Keinerlei Hilfe von staatlicher Seite

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Das Lager beherbergt momentan 200 Flüchtlinge
Das Lager beherbergt momentan 200 Flüchtlinge

Medellín. In Kolumbien haben rund 1.500 Menschen gegen die Verfolgung durch paramilitärische Banden demonstriert und ein humanitäres Flüchtlingslager errichtet. Das Lager im Landkreis El Bagre in der westlichen Region Bajo Cauca beherbergt momentan 200 Flüchtlinge. Seit November 2015 hatten die Angriffe auf die Bevölkerung der Region durch die paramilitärische Gaitán-Selbstverteidigungsgruppe (AGC), auch als Clán Úsuga bekannt, stark zugenommen. Mindestens ein Dutzend Menschen sind dort in diesem Jahr verschleppt und verschwunden oder ermordet worden. Einige von ihnen sollen nach Angaben der Ombudsbehörde gefoltert und zerstückelt worden sein.

Zwei Tage nach der Einrichtung des Flüchtlingslagers, bei der die lokale Bergbau- und Kleinbauerorganisation Aheramigua mitgewirkt hatte, ist eins ihrer Mitglieder, der Motorradtaxifahrer Wilson Cabrera, ermordet worden. Auch sei das Gerücht aufgekommen, dass die Paramilitärs weitere Attentate gegen Aherimagua-Aktivisten planen. Es sollen außerdem 80 bewaffnete Männer in der Nähe des Camps zusammengezogen worden sein und sich darauf vorbereiten "jeden Bewohner des Flüchtlingslagers, den sie auf die Straßen der Ortschaft finden, zu ermorden", informiert die Organisation.

Das Lager wird von der internationalen Menschenrechtsorganisation Peace Brigades International und dem linken Bündnis Marcha Patriótica unterstützt. Staatliche Institutionen hätten sich hingegen seit der Einrichtung des Camps in der Zone nicht gezeigt, sagt der Aktivist von Aheramigua, Mauricio Suárez. Lebensmittel erhielten die betroffenen Familien von lokalen Händlern und Einwohnern.

Die Bevölkerung der Region ist durch die AGC in Angst und Schrecken versetzt worden. Die rechte Bande kassiert regelmäßig Geld von den Händlern von El Bagre. Jegliche Weigerung müssen sie mit dem Leben bezahlen. Auch beim Befahren der wichtigsten Verkehrsverbindung der Region, des Flusses Nechí, riskieren die Kleinbauern das Leben. Der Fluss wird von vermummten bewaffneten Männern kontrolliert. Folterungen und Enthauptungen gehören ebenfalls zu den Einschüchterungsmethoden der AGC in der Zone. Beispielsweise haben sie den Kopf eines ihrer Opfer demonstrativ auf einer Brücke aufgestellt. All dies hat in den vergangenen Monaten die Flucht von Hunderten Familien provoziert. Allein im Januar verließen circa 600 Menschen in wenigen Tagen ihre Grundstücke.

Die Region ist strategisch wichtig für den Goldbergbau und den Koka-Anbau. Landraub ist dort seit Zeiten der ehemaligen Paramilitärs der Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC) Ende der 1990er Jahre üblich. Vor vier Jahren hatten allerdings die vertriebenen Familien angefangen, auf ihre Grundstücke zurückzukehren. Ob die neuen Vertreibungswellen gestoppt werden, bleibt offen. Die Interessen der Großunternehmen sind auf die Goldreserven der Region gerichtet, für deren Abbau die Präsenz der Guerillas bisher ein Hindernis war.

Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen (UNHCR) war Kolumbien Ende 2015 das Land mit den meisten Binnenflüchtlingen weltweit: 6,9 Millionen Menschen. Bereits im Jahr 2013 hatte das Europäische Amt für humanitäre Hilfe (ECHO) sich besorgt über die anhaltenden massiven Vertreibungen gezeigt: Nicht nur der interne bewaffnete Konflikt sei dafür verantwortlich, sondern zunehmend kriminelle Banden, die in Kolumbien als Bacrim (bandas criminales, kriminelle Banden) bezeichnet werden und zumeist Nachfolgeorganisationen rechtsgerichteter paramilitärischer Gruppen sind.

Seit Anfang dieses Jahres haben sich die Berichte über paramilitärische Aktivitäten gehäuft.