Nachfolger der Colonia Dignidad in Chile müssen Opfer entschädigen

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Die Colonia Dignidad in Chile heute – inzwischen heißt sie "Villa Baviera"
Die Colonia Dignidad in Chile heute – inzwischen heißt sie "Villa Baviera"

Santiago de Chile. Die Nachfolgeunternehmen der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad im Süden von Chile müssen rund 1,5 Millionen Euro an eine Gruppe von Chilenen bezahlen, die Anfang der neunziger Jahre in der Deutschensiedlung sexuell missbraucht wurden. Das beschloss die erste Kammer des chilenischen Obersten Gerichtshofs einstimmig. "Die Entschädigungszahlungen waren bereits im Januar 2013 vom höchsten chilenischen Gericht festgelegt worden", hieß es dazu seitens des in Berlin ansässigen Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika (FDCL). Seitdem hätten die Vorstände des heutigen Betreiberunternehmens "Inmobiliaria Bergneustadt" sich jedoch unter Vorgabe formaler Hinderungsgründe geweigert, die Entschädigungen auszuzahlen. "Ihre Beschwerde gegen die Vollstreckung des Urteils scheiterte nun jedoch letztinstanzlich", stellt das FDCL fest. Es handele sich um die ersten Entschädigungszahlungen an Opfer der Colonia Dignidad überhaupt.

Nach Angaben des FDCL wurde die Finanz- und Vermögenssituation der ehemaligen Colonia Dignidad niemals umfassend untersucht. Kurz vor der Rückkehr zur Demokratie in Chile im Jahr 1990 habe die Siedlung ihre Vermögenswerte auf ein komplexes und intransparentes Geflecht von geschlossenen Aktiengesellschaften verteilt und sei einer Auflösung zuvorgekommen. Aus diesen Gesellschaften würden vermutlich auch die Rechtsanwälte der Colonia-Täter finanziert.

Opfervertreter fordern eine umfassende Untersuchung des Vermögens der Siedlung, inklusive der im Ausland versteckten Gelder, durch eine deutsch-chilenische Expertenkommission. Die Mittel sollten in Hilfsmaßnahmen für alle Opfergruppen der Colonia Dignidad fließen.

Zum Urteil erklärte Klaus Barthel, der Sprecher des Gesprächskreises Lateinamerika der SPD-Bundestagsfraktion: "Das Urteil ist ein wichtiger Schritt zur Aufarbeitung der Geschichte der Kolonie". Vor allem sei es ein Schritt hin zu einer Entschädigung der Opfer aus dem Vermögen der Rechtsnachfolger der Siedlung. "Ich hoffe auch, dass es ein Signal für die deutsche Politik ist, zumindest für die hier lebenden Opfer an einer Aufarbeitung und finanziellen Wiedergutmachung zu arbeiten", so Barthel weiter. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstütze diesen Prozess, den der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor knapp einem Jahr begonnen hatte."

Auch die Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Heike Hänsel, bezeichnete das Urteil als gute Nachricht für die Opfer der deutschen Foltersiedlung "Die Zahlung von 1,5 Millionen Euro durch das heutige Betreiberunternehmen Inmobiliaria Bergneustadt, das auch von Tätern aufgebaut wurde, stellt einen Teil Gerechtigkeit für die Opfer dar, zumal das Unternehmen teilweise mit Sklavenarbeit aufgebaut wurde", so Hänsel.

Sie wies auch darauf hin, dass die Colonia Dignidad und ihre Nachfolgeinstitutionen aus Berlin finanziell unterstützt wurden. Noch vor wenigen Wochen kündigte ein Vertreter des Auswärtigen Amtes an, den Menschen in der Siedlung psychologischen und pflegerischen Beistand zu leisten. "Abgesehen davon, dass Täter und Opfer nicht gleichermaßen behandelt werden dürfen, muss bei solchen Hilfen Transparenz gewährleistet sein."

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