Kritik in Lateinamerika an Mega-Fusion im Agrarbereich

Chemchina fusioniert mit Syngenta. Hochgiftige Pestizide in Lateinamerika erlaubt, in EU verboten. Vergiftungen, Fehlgeburten und Missbildungen sind Folgen

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Protest in Brüssel gegen die Fusion von Syngenta und ChemChina
Protest in Brüssel gegen die Fusion von Syngenta und ChemChina

Brüssel. Die EU-Kommission hat ungeachtet heftiger Kritik dem Erwerb des Schweizer Syngenta-Agrakonzerns, durch die chinesische Firma Chemchina zu einem Kaufpreis von 43 Milliarden US-Dollar zugestimmt. Die Fusion und die Kontrolle des weltweiten Saatgut- und Agrarmarktes gefährdet laut Amigos de la Tierra jedoch die Ernährungssouveränität, die kleinbäuerliche Landwirtschaft, die Ernährung und ökologische Integrität von Milliarden von Menschen.

Seit Jahren hatten unzählige Umwelt-, Bauern- und Entwicklungsorganisationen wie Grain, Friends of the Earth, der Dachverband kleinbäuerlicher Organisationen "La Via Campesina" und das Netzwerk für ein Gentechnik-freies Lateinamerika die EU-Kommission vor der Fusion gewarnt, weil sie die globale Machtkonzentration im Saatgut- und Pestizidmarkt einerseits (93 Milliarden US-Dollar Umsatz jährlich) und Düngemittelsektor (193 Milliarden Jahresumsatz) auf die Spitze treibe. Syngenta ist weltweit einer der größten Konzerne im Agrargeschäft, ChemChina eines der größten Chemieunternehmen in der Volksrepublik China.

Syngenta-Chemchina konkurriert mit dem unlängst fusionierten Unternehmen Bayer-Monsanto um den Platz als weltgrößter Agrarkonzern. Bereits Ende März 2017 hatte die EU-Kommission auch die Fusion der US-Chemiegiganten Dupont und Dow-Chemicals unter Auflagen erlaubt. Bei diesen Konzernen konzentrieren sich seit bereits einem Jahrzehnt 75 Prozent der weltweiten Agrarchemieverkäufe sowie rund zwei Drittel des globalen Saatgutkommerzes. Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern deshalb, das Wettbewerbsrecht zu verschärfen und die Fusionskontrolle zu verbessern.

Syngenta ist der weltgrößte Pestizidproduzent, der unter anderem die hoch giftigen Agrargifte Atrazin und Paraquat herstellt und in vielen lateinamerikanischen Ländern als "Lösungen" gegen Wildkräuter vertreibt und bewirbt. Pestizide greifen bei lebenden Organismen in lebenswichtige Stoffwechselvorgänge ein. Neben den beabsichtigten "Schädlingen" werden auch wild lebende Tiere und Pflanzen, Nutztiere und -pflanzen wie auch Menschen beeinträchtigt, bei denen ein Kontakt mit Pestiziden zu Vergiftungen und Krankheiten führen kann.

Viele Wissenschaftler warnen vor dem Herbizid Atrazin wegen schwerwiegender Schäden für Ökosysteme sowie die Gesundheit von Mensch und Tier: Es beeinträchtige die Fruchtbarkeit und steigere das Risiko von Fehlgeburten und Krebserkrankungen. In der EU sind Paraquat und Atrazin nicht zugelassen.

Das Herbizid Paraquat ist in Lateinamerika zugelassen, wenn auch unter Nutzungsauflagen wie unter anderem die Anwendung durch geschultes Personal mit Schutzkleidung. Diese werden jedoch oft nicht eingehalten. Es handelt sich um ein Kontaktherbizid, das zur Unkrautbekämpfung auch in Kaffee-, Tabak-, Tee-, Ölpalmen- oder Bananenplantagen eingesetzt wird sowie bei der Direktsaat. Bei akuter Vergiftung führt es unter anderem zu Appetitlosigkeit, Schwindel, Erbrechen und Durchfall, Kurzatmigkeit, Nierenversagen, Schädigungen der Leber. Paraquat schädigt die Fruchtbarkeit und ist laut US-Umweltbehörde EPA möglicherweise krebserregend und erbgut-verändernd.

Paraquat wird oftmals in Kombination mit Glyphosat im Anbau gentechnisch veränderter Kulturen wie Mais und Soja, aber auch im Tabakanbau eingesetzt. Die fortschreitende Resistenzbildung gegen beide Herbizide führt zur Entstehung von "Superunkräutern" und einer Spirale immer weiter zunehmenden Pestizideinsatzes.

Der hohe, weiter ansteigende Pestizidverbrauch weltweit hat fatale Folgen für die menschliche Gesundheit und Ökosysteme. Die Dunkelziffer der Pestizidvergiftungen mit und ohne Todesfolge ist nicht nur in Lateinamerika ist sehr hoch und wird oft nicht adäquat dokumentiert. Insbesondere Saisonarbeiterinnen und -arbeiter aus prekären Arbeitsverhältnissen auf Plantagen, aber auch Kleinbauernfamilien am Rande industriell bewirtschafteter Monokulturen für Agrarexporte akkumulieren die Agrarchemie in ihrem Körper. Es gibt dokumentierte Schwerbehinderungen wie Lähmungen, Fehl- und Missgeburten sowie eine erhöhte Kindersterblichkeit in Regionen mit intensivem Agrarchemieeinsatz.

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