Berlin/Havanna. Wiederholt hat in den vergangenen Jahren ein Kuba-Medienworkshop der Berliner "tageszeitung" (taz) für Debatten gesorgt. Die Einladung junger Journalisten aus staatlichen und privaten Medien aus Kuba nach Deutschland wird von der Redaktion und der taz-nahen Panter-Stiftung als Beitrag zur Meinungspluralität in dem sozialistischen Karibikstaat gesehen. Nun beklagen kubanische Journalisten aber: Die demonstrative Unterstützung privater Medienprojekte trägt dazu bei, dass junge Journalisten aus staatlichen Medien abwandern. Zudem wird der Medienworkshop parallel zu einem geplanten Kulturabkommen zwischen Berlin und Havanna von Auswärtigen Amt finanziert und droht das bilaterale Vorhaben dadurch zu gefährden.
Zum dritten Mal waren diesen Sommer junge Medienschaffende aus Kuba nach Deutschland gekommen. Dabei lernten die kubanischen Gäste die deutsche Medienlandschaft und die Funktionsweise von Journalismus in Deutschland kennen. Ein Austausch auf Augenhöhe, wie es bei der taz heißt. Von Seiten der Redaktion ist das vermutlich auch so. Doch wie die Tageszeitung Junge Welt unlängst berichtete, wird der Kuba-Workshop vom Auswärtigen Amt mitfinanziert. Das Blatt berief sich dabei auf die Antwort von Außenamt-Staatssekretär Marcus Ederer auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Heike Hänsel. Der Workshop, so hieß es darin, habe die Intention, "den Kultur- und Bildungsaustausch mit Kuba zu intensivieren". Ederer erklärte zudem, dass das Auswärtige Amt seit 2015 insgesamt 60.000 Euro für den Workshop der taz-Panter-Stiftung für junge kubanische Journalisten aufgewendet habe, einen Großteil der Kosten.
Weitere Details bietet der jüngste Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik vom 16. März 2017. Aus dem Papier geht hervor, dass die Bundesregierung "einen Beitrag zur Öffnung des strikt reglementierten Informationssektors" in Kuba leisten will. Dieses Vorhaben steht jedoch in keinem Zusammenhang mit den Verhandlungen um ein deutsch-kubanisches Kulturabkommen. Das wäre auch schwierig, denn laut Bundesregierung selbst ist die Grundvoraussetzung für die Weiterverhandlungen des Abkommens die Schaffung einer gegenseitigen Vertrauensbasis. Tatsächlich scheint die politisch begründete Unterstützung des Medienworkshops dieser Vertrauensbildung entgegenzustehen. In kubanischen Medien wurde das Vorhaben jedenfalls mehrfach kritisch bewertet.
Nach dem jüngsten Workshop wurden von allen Teilnehmenden Artikel in einem Sonderteil mit dem Titel "Kubataz" veröffentlicht. Die Themenauswahl war dabei durchaus vielfältig. Einige Artikel zeugten von gutem Journalismus, andere sind eher inhaltslos. Auffällig war: Es gibt kein Schwarz-weiß-Denken mehr. Und das ist auch Thema in einzelnen Artikeln, etwa bei Julio Batista Rodríguez vom Projekt Periodismo de Barrio. "Noch vor nicht einmal fünf Jahren gab es nur zwei klar definierte Haltungen: Regierung oder Opposition. (...) Ohne Zwischentöne. Und mittendrin standen wir, die für ein anderes Lebensmodell und eine andere Art des Journalismus eintraten." Ironischerweise bezieht ausgerechnet der Autor dieses Satzes eine recht eindeutig oppositionelle Position in seinem Artikel. Zumindest, was den Journalismus betrifft. Und so bleibt das Thema Pressefreiheit wohl ein stark polarisierendes, wenn es um Kuba geht. Mitarbeitende in staatlichen Redaktionen gegen die "unabhängigen Medien" Kubas.
Und welche Rolle spielt der von Außenamt finanzierte Kuba-Workshop dabei? Wie Amerika21 erfahren hat, kündigte einer der diesjährigen Teilnehmer des Workshops bei seinem bisherigen Arbeitgeber, der staatlich finanzierten Provinzzeitung Camagüeys, Adelante, um bei einem Medium zu arbeiten, das von der US-Regierung bezahlt wird und eine regierungskritische Position einnimmt. Seine Begründung sei gewesen, dass er nach dem Kuba-Workshop der taz nicht mehr weiter bei Adelante habe arbeiten können, hieß es von einem Kollegen, der seinen Namen nicht genannt haben möchte. Lässt sich daraus nun schlussfolgern, dass ein mutmaßliches politisches Ansinnen des Auswärtigen Amtes aufgeht? Theoretisch nicht. Da es offiziell um eine Öffnung des kubanischen Informationssektors geht, kann eine Abwanderung der Medienschaffenden von staatlichen zu nicht-staatlichen Medien nicht das Ziel sein. Dennoch bleibt das Gefühl, das Auswärtige Amt könnte hier einen Gewinn davongetragen haben. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass die staatlich finanzierte Deutsche Welle zum Auffangbecken und Sprachrohr für Oppositionelle aus Kuba und anderen linksregierten Staaten Lateinamerikas wird. Nach massiver Kritik an ihrer Arbeit ist dort unter anderem die kubanische Regierungsgegnerin Yoani Sánchez unter Vertrag genommen worden.