Schleppende Umsetzung des Friedensvertrags in Kolumbien

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Diese Tabelle zeigt den Anteil der bereits umgesetzten Vereinbarungen nach Themen und Sektoren
Diese Tabelle zeigt den Anteil der bereits umgesetzten Vereinbarungen nach Themen und Sektoren

Bogotá. Die Implementierung des im Dezember letzten Jahres unterzeichneten Friedensvertrags zwischen den ehemaligen Farc-Rebellen und der kolumbianischen Regierung kommt nur schleppend voran. Laut der Beobachtungsstelle für die Durchführung des Friedensabkommens (OIAP), wurden bis Anfang Oktober gerade einmal 18 Prozent der Vereinbarungen umgesetzt. In ihrem Bericht schreibt die Nichtregierungsorganisation von einer heiklen Lage und bezeichnet die langsame Umsetzung des Friedensvertrags als besorgniserregend. Der öffentliche Fokus hätte auf der Entwaffnung der ehemaligen Guerillaorganisation sowie deren Transformation in eine politische Partei gelegen. Die Durchführung von im Friedensvertrag vereinbarten politischen Reformen, insbesondere ländliche Gebiete betreffend, würden vernachlässigt. Dies löse bei den Betroffenen Unmut aus.

Die weiterhin unklare juristische Situation der ehemaligen Rebellen kann beispielhaft für die großen Probleme bei der Implementierung des Friedensvertrags gesehen werden. Das Gesetz, das die Sonderjustiz regeln soll, befindet sich seit Wochen und ohne nennenswerte Fortschritte im Kongress. Die Regierungsparteien sind zerstritten und können sich auf keine gemeinsame Linie einigen. Die OIAP spricht sogar von einer Allianz, die die Umsetzung des Friedensvertrags verhindern wolle. Auch bereits verabschiedete Gesetze scheitern oft an der praktischen Umsetzung. So hält die Diskussion um das Amnestiegesetz weiter an und es warten noch über 1.000 Guerilleros auf ihre Haftentlassung.

Die Farc betonen immer wieder, dass sie sich an alle getroffenen Vereinbarungen halten. Die Ex-Rebellen versammelten sich wie vereinbart in den Übergangszonen und haben ihre Waffen und Munition den Vereinten Nationen übergeben. Auch wurden Mitgliederlisten und eine Auflistung des Eigentums der Organisation offengelegt. Aus dem Eigentum soll ein Fonds zur Wiedergutmachung für die Opfer errichtet werden. Bereits vor zwei Monaten wurde die Partei Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes (Farc) gegründet, mit der die ehemaligen Rebellen ihre Ziele auf gewaltfreiem Wege erreichen wollen. 

Jedoch wird die Zeit knapp. Der Fast-Track-Mechanismus, der eine schnelle Implementierung des Friedensvertrags in nationale Gesetze ermöglichen sollte, läuft Ende November aus. Gleichzeitig läuft das Mandat der 26 Übergangszonen ab, in denen die Farc ihre Waffen abgegeben haben und in denen der Wiedereingliederungsprozess beginnen soll. Was im Anschluss mit den Zonen und ihren Bewohnern geschieht, ist bisher unklar. Bereits jetzt haben viele Ex-Kämpfer die Übergangszonen verlassen, ohne an Reintegrationsprogrammen teilgenommen zu haben. Problematisch dabei ist, dass diese hoffnungslos erscheinende Lage zu Frustration und zur Rückkehr in die Illegalität führen könnte.

Besorgniserregend sind zudem die näher rückenden Präsidentschaftswahlen im Mai des kommenden Jahres. Viele Parteien sind bereits im Wahlkampfmodus und stellen sich mit populistischen Positionen gegen den Friedensprozess. Insbesondere die Partei des Demokratischen Zentrums von Ex-Präsident Álvaro Uribe heizt die Stimmung an. Aber auch die sich in der Regierungskoalition befindliche Partei Cambio Radical wird mehr und mehr zu einer Kraft gegen den Prozess. Insbesondere deren Präsidentschaftskandidat Vargas Lleras, der bis März dieses Jahres noch Vizepräsident unter Juan Manuel Santos war, verschärft den Ton gegenüber den Farc zunehmend.

Wie dringlich die Lage ist, wird anhand der prekären Sicherheitslage deutlich. Die staatlichen Sicherheitskräfte können oder wollen die Garantien nicht erfüllen und sind selbst schweren Vorwürfen ausgesetzt. Insbesondere in der Grenzregion Nariño ist es in letzter Zeit vermehrt zu Gewalttaten gekommen. Nach einem Anfang Oktober durch die Polizei verübten Massaker an sieben Kleinbauern wurde vor wenigen Tagen der Tod eines weiteren Kleinbauern gemeldet, der sich um die Aufklärung der Vorfälle bemüht hatte. Zudem gab es in der gleichen Region kürzlich bewaffnete Zusammenstöße mit Todesfolgen, die im Zusammenhang mit dem Drogenhandel stehen sollen.