Kolumbien / Politik

Kolumbien: ELN ermordet Indigenen, Partizipation im Friedensdialog beginnt

Rebellen entschuldigen sich für "nicht zu entschuldigende Tat". Regierung droht mit Aufhebung der Waffenruhe. Partizipation der Bevölkerung beginnt

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Beginn der Beteiligung der Bevölkerung an den Friedensgesprächen der ELN
Beginn der Beteiligung der Bevölkerung an den Friedensgesprächen der ELN

Bogotá/Quito. Im Pazifik-Department Chocó von Kolumbien hat die Nationale Befreiungsarmee (ELN) den indigenen Gouverneur Aulio Isarama Forastero ermordet. Nach Angaben der Rebellengruppe wurde Isarama der Kollaboration mit dem Militär bezichtigt und hatte daher befragt werden sollen. Die mit seiner Entführung und seinem Transport in ein ELN-Camp beauftragte Einheit berichtet, der Gefangene habe die ELN-Mitglieder attackiert. Die Guerilla-Organisation "bedauert den tragischen Zwischenfall". Die ELN rief zudem die eigenen Reihen zur Kontrolle des Verhaltens auf. Sie gab bekannt, alles zu tun, "damit sich solche Vorfälle nicht wiederholen". Die Rebellenorganisation bat die Familie des Opfers um Vergebung für diese "nicht zu entschuldigende Tat". Zu keiner Zeit sei die Ermordung des Indigenen gewollt gewesen, er hatte lediglich befragt werden sollen.  

Der Verhandlungsführer der Regierung, Juan Camilo Restrepo, verurteilte den Vorfall als "enttäuschend". Erst am Monatsbeginn ist ein temporaler, bilateraler Waffenstillstand zwischen ELN und Regierung in Kraft getreten, der bis Januar 2018 dauern soll. Die Regierung unter Präsident Juan Manuel Santos nahm den Mord zum Anlass mit der Auflösung des Waffenstillstands zu drohen und der Guerilla die Verantwortung dafür zuzuschieben: In der Tat besteht laut Regierung eine Verletzung der Waffenruhe. Diese Drohung wirkt nahezu sarkastisch: Erst vor wenigen Wochen hatten staatliche Streitkräfte in der Ortschaft Tumaco ein Massaker an mindestens neun Bauern begangen. Seit Beginn des Jahres 2017 sind zudem mindestens 133 Sprecher sozialer Bewegungen ermordet worden, zuletzt am Wochenende Ramón Alcides G., Mitglied der linksgerichteten Organisation Marcha Patriótica und einer Vereinigung von Kokabauern. Diese Morde werden den staatlichen und parastaatlichen Militärs zugeordnet.

Aus dem Büro des Hochkommissariats für den Frieden heißt es, "keine einzelne Tat sollte den Waffenstillstand alleine unterbrechen". Weiterhin werde der Fall ausführlich und unabhängig untersucht, um Empfehlungen zu geben, die den Friedensprozess voranbringen können.

Am Montag begannen zudem trotz der Spannungen und ohne Zwischenfälle die ersten Gesprächsrunden mit der Bevölkerung, in denen die Form der Partizipation an der Friedensverhandlung erörtert werden soll. Regierung und ELN haben gemeinsam Delegationen der Zivilbevölkerung nach Quito eingeladen, um in "vorbereitenden Arbeitsgruppen" die Beteiligung zu garantieren. Diese Treffen finden vom 30. Oktober bis zum 13. November in Kolumbien und Ecuador statt. Auch online kann in Foren teilgenommen werden. Die Teilnahme der Bevölkerung ist der erste Punkt und Voraussetzung für die Weiterführung der Gespräche im Friedensprozess mit der ELN.

Zwei Fragen werden laut Verhandlungsgruppe in diesen Sondierungstreffen erarbeitet: Welche Formen der Partizipation sind geeignet? Welche Erfahrungen können aus den unterschiedlichen gesellschaftlichen Sektoren zum Prozess beitragen? Eingeladen sind sowohl Vertreter aller Regionen als auch der Sektoren, darunter ethnische Gruppen, Bauern, Arbeitgeberverbände, Kirchen, Jugendliche, Sprecher der LGBTI, Gewerkschaften, Frauen, Personen mit Behinderungen, Opferverbände und Menschenrechtsorganisationen. Auch im Exil lebende Kolumbianer sollen in virtuellen Treffen die Chance haben, sich aus dem Ausland zu Wort zu melden. Alleine am ersten Tag hatten über 200 Vertreter bei den Treffen teilgenommen und Vorschläge gemacht.