Kolumbien / Politik

Farc startet Wahlkampf in Kolumbien als legale politische Partei

Kundgebung in Bogotá leitet Kampagne ein. Ehemalige Guerilleros unter Anwesenden. Schwierige Transformation der Farc als politische Kraft

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Ehemaliger Chefunterhändler der Farc in Kolumbien: Luciano Marín Arango alias "Iván Márquez"
Ehemaliger Chefunterhändler der Farc in Kolumbien: Luciano Marín Arango alias "Iván Márquez"

Bogotá. In Kolumbien hat die neu gegründete Linkspartei Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes (Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común, Farc) ihren Wahlkampf für die bevorstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen begonnen. Als Veranstaltungsort hatte sich die neue Partei vor wenigen Tagen den zentralen Platz der Cuidad Bolívar ausgesucht, einem der ärmsten Einzugsgebiete im Süden Bogotas.

In Ciudad Bolívar leben mehr als 700.000 Personen in 400 kleine Stadtteilen, in denen die Menschen beengt hausen, teilweise mit eingeschränktem Zugang zu Elektrizität und Wasser. Auch die Arbeitslosigkeit sowie Drogen und Kriminalitätsdelikte sind hoch. Es fehlen Schulen, gesundheitliche Versorgung oder auch staatliche Kultureinrichtungen. Gleichzeitig hat sich in diesem Teil Bogotás eine alternative Kultur von Stadtteil- und Umweltgruppen entwickelt.

Diesen Stadtteil suchte sich die Farc bewusst aus, um ihre künftige Zielgruppen anzusprechen: Marginalisierte, Arme, Vertriebene und Jugendliche. Die Auftaktveranstaltung für den Wahlkampf war durch die Polizei und den eigenen Sicherheitsdienst der Farc geschützt. Auf einer großen Bühne mit dem Banner "Eine neue Form, Politik zu betreiben" eröffnete zunächst eine Moderatorin die Veranstaltung, eine Hip-Hop-Gruppe der Farc stimmte die Besucher auf die Veranstaltung ein.

Im Laufe des Nachmittages nahmen mehr als 1.000 Personen an der Veranstaltung teil, vorwiegend Ex-Guerilleros, Mitglieder der kommunistischen Partei, Studierende der großen staatlichen Universitäten Bogotas und Mitglieder aus Stadtteil- und Umweltinitiativen. Den Anwesenden war bewusst, wohin sie gingen, einige genossen es, sich nach einem jahrelangem Leben im Untergrund oder dem Exil wieder frei und öffentlich präsentieren zu können.

Viele Neugierige aus dem Stadtteil standen an einem der Absperrgitter, die rund um den Veranstaltungsort aufgestellt worden waren, und wollten sich den ihnen bislang nur aus den Medien bekannten Farc-Chef Rodrigo Londoño Echeverri alias Timochenko aus der Nähe anschauen. Weitere Sprecher waren Jairo González Mora alias Bayron Yepes (Bogotá), Luciano Marino Arango alias Ivan Marquez und Imelda Daza. Letztere kommt aus der Kommunistischen Partei Kolumbiens, lebte lange Zeit im Exil und kandidiert nun für die Vizepräsidentschaft. Den Abschluss der Wahlkampfveranstaltung bestritt Rodrigo Lodoño alias Timoschenko.

Während alle Redner betonten, dass von Seiten der Farc die Vereinbarungen im Friedenvertrag eingehalten worden seien, stellten Arango und Lodoño die Integration der ehemaligen Kombatanten in die kolumbianische Gesellschaft in den Vordergrund. Imelda Danza betonte die Rolle der Frau im Friedensprozess, welche Opfer des Krieges durch Vergewaltigungen und Missbrauch geworden ist, die aber gleichzeitig auch als Mutter und Großmutter entscheidet, ihre Kinder und Enkelkinder nicht mehr in den Krieg ziehen zu lassen.

Zentrale Themen der Kampagne waren die Forderungen nach kostenloser Bildung und Gesundheitsversorgung, ein bezahlbarer und effizienter Nahverkehr in den Städten sowie eine Agrarreform. Lodoño hob in seiner Rede die Enttäuschung des Großteils der kolumbianischen Gesellschaft über die bestehende Politik hervor. Lediglich 40 Prozent der Kolumbianer nähmen am politischen Geschehen teil, wodurch vier von zehn Personen über das politische Leben in Kolumbien entscheiden. Er wies weiterhin auf das Geschäft des Stimmenskaufs in einigen Regionen hin oder auf die Wechselhaftigkeit der politisch gewählten Volksvertreter. Aus diesem Grund würde die Farc antreten, um eine andere Form der Politik zu gestalten, in der, so Londoño, der Bürger im Zentrum stehen werde.

Er wies erneut darauf hin, dass der Prozess der Wiedereingliederung in das zivile Leben für die Farc mit der Abgabe der Waffen begonnen habe. Sie hätten wie alle das Recht, an dem politischen Leben teilzunehmen. In den Friedensvereinbarungen sei von Seiten der Regierung die Garantie gegeben worden, in Frieden, Freiheit und Würde leben zu können. Doch bisher seien seit Abschluss des Friedensvertrages 37 Mitglieder der Farc-Partei ermordet worden. Weiterhin wies er auf die mehr als 500 Personen hin, die sich noch in den Gefängnissen befinden.

Am Rande der Kundgebung unterhielten sich Polizisten und Anwohner über die Wahlkampfveranstaltung der Farc. Die Meinungen gingen weit auseinander: Lodoño – ein Mörder oder ein Held des Volkes? Ein Cafébesitzer entschied sich dafür, Lodoño zuzuhören und sich danach eine Meinung zu bilden. Mit den öffentlichen Auftritten jedenfalls wird der Prozess des Wandels in eine politische Partei fortgesetzt. Nun müssen sich die Farc an ihren Taten in den Städten und auf dem Land messen lassen. Klar wurde: Transformationsprozesse, ob für die Farc selbst oder den Rest der kolumbianischen Gesellschaft, benötigen viel Zeit, Geduld und Ausdauer.