Mexiko: Verbrechen gegen Studenten von Ayotzinapa werden neu untersucht

Präsident López Obrador ordnet Ermittlungen an. Gewalttat hatte 2014 für Entsetzen gesorgt. Internationale Gremien kritisierten Manipulationen und Fehler

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López Obrador mit Angehörigen der Opfer von Ayotzinapa
López Obrador mit Angehörigen der Opfer von Ayotzinapa

Mexiko-Stadt. Auf seiner ersten Pressekonferenz hat Mexikos neuer Präsident Andrés Manuel López Obrador per Dekret die Suche nach 43 vermissten Studenten angeordnet. Das Verschwinden der jungen Männer aus der Ortschaft Ayotzinapa im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero solle untersucht und aufgeklärt werden, sagte der linksgerichtete Politiker: "Die Wahrheit muss bekannt werden und die Verantwortlichen müssen unter Achtung der Autonomie der Justiz bestraft werden", sagte López Obrador.

Der neue Präsident betonte im Beisein von Angehörigen der verschwundenen Lehramtsstudenten, dass er den Fall zu einer Priorität seiner Regierung mache. In diesem "traurigen und schmerzhaften Fall" werde es keine Straffreiheit geben. Nur mit großer Beharrlichkeit könne nach dem mutmaßlichen Massenmord von Ayotzinapa Gerechtigkeit erreicht werden.

Der Fall hatte 2014 weltweit für Entsetzen gesorgt und die Infiltrierung der Sicherheitskräfte durch die Drogenmafia auf einen Schlag deutlich gemacht. Korrupte Polizisten sollen die Studenten einer ländlichen Universität in Ayotzinapa im Bundesstaat Guerrero in der Nacht auf den 27. September 2014 verschleppt haben. In der Nacht wurden drei Studenten der Lehrerfachschule "Raúl Isidro Burgos" in Ayotzinapa ermordet, die 43 gelten seither als verschwunden. Ein weiterer Student befindet sich seit vier Jahren im Koma, drei unbeteiligte Zivilisten kamen durch Schüsse der Polizei ebenfalls ums Leben.

Die jungen Männer wurden offenbar der Verbrecherbande "Vereinigte Krieger" (Guerreros Unidos) zur Exekution übergeben. Hinter dem Verbrechen soll der Bürgermeister von Iguala gestanden haben, der offenbar Verbindungen zur Drogenmafia unterhielt. Die mexikanische Bundesjustiz und die Regierung des nun abgetretenen Präsidenten Enrique Peña Nieto hatten die Ermittlungen mehrfach behindert.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) veröffentlichte vor wenigen Tagen einen vorläufigen Schlussbericht zu ihrer Arbeit im Fall Ayotzinapa Darin betonte das Gremium, die Untersuchungen seien nach wie vor unvollständig und fehlerhaft. Auch die nationale staatliche Menschenrechtskommission (CNDH) präsentierte gleichentags in einer neunstündigen Marathonsitzung ihren über 2.000 Seiten umfassenden Bericht.

Anhand dieser Dokumente wurde kurz vor Ende der Amtszeit von Präsident Peña Nieto der Ayotzinapa-Fall erneut Gegenstand öffentlicher Debatten. Die CIDH kommt in ihrem Bericht zum Schluss, dass die Untersuchungen der Strafbehörden trotz der insgesamt 618 Bände absichtlich in verschiedene Prozesse aufgeteilt worden seien und eine umfassende Analyse des Falls ausstehe. Große Lücken in der strafrechtlichen Verfolgung sieht die CIDH bei der Aufklärung der Rolle staatlicher Stellen und Bundesbehörden, insbesondere der Bundespolizei und der Armee. Im polizeilichen Überwachungszentrum der als Drogenumschlagsplatz bekannten Stadt Iguala waren in dieser Nacht auch zwei Soldaten einer Geheimdiensteinheit anwesend, die das Geschehen zeitnah an höhere Stellen weiterleiteten.

Gravierende Vorwürfe macht die CIDH den Behörden bezüglich der Art und Weise, wie Beweisstücke manipuliert oder gar vernichtet wurden. Das betrifft Videoaufnahmen der Tatnacht, aber auch Waffen: Zwei Jahre nach der Tat und inmitten der Untersuchungen habe die Armee 25 Gewehre, darunter neun G-36-Sturmgewehre der deutschen Waffenschmiede Heckler & Koch, vernichtet. Diese Gewehre waren die Dienstwaffen der Polizeieinheiten von Iguala und Huitzuco, mit ihnen wurde der Angriff auf die Studenten ausgeführt. Die CIDH stellte fest, dass "die Zerstörung ballistischer Beweise im Falle von Personen, die sich in Untersuchungshaft befinden, eine gravierende Verletzung der Sicherstellung der Beweiskette bedeutet".