Kolumbien / Politik

Kolumbien: Genozid an der Unión Patriótica vor Sondergericht

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Die UP war eine politische Herausforderung für die traditionellen Parteien und wurde mit brutaler Gewalt niedergeschlagen
Die UP war eine politische Herausforderung für die traditionellen Parteien und wurde mit brutaler Gewalt niedergeschlagen

Bogotá. Kurz vor dem Jahrestag der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Bernardo Jaramillo am 22. März 1990 soll der Fall in Kolumbien neu verhandelt werden. 19 Jahre nach dem Genozid an der Linkspartei Unión Patriótica (UP) liegt er nun neben rund 6.200 weiteren zur Untersuchung vor der Sonderferichtsbarkeit für den Frieden (Jurisdicción Especial para la Paz, JEP).

Mit der Eröffnung des Falles der "Ermordung von UP-Mitgliedern durch staatliche Akteure" wird der Genozid an den Mitgliedern der Partei nun im Rahmen des Friedensprozesses aufgearbeitet. Die JEP traf die Entscheidung zur Untersuchung auf Basis von drei Berichten der Generalstaatsanwaltschaft sowie zweier zivilgesellschaftlicher Institutionen, der Corporación Reiniciar und des Centro Nacional de Memoria Histórica.  Letztere zählt zwischen 1984 und 2002 rund 6.200 Opfer, davon 4.153 ermordete, verschwundene oder entführte Mitglieder der UP. Als gezielte Ermordungen zählt das Centro Nacional de Memoria 3.122, darunter die Präsidentschaftskandidaten Bernardo Jaramillo und Jaime Pardo Leal, und 544 Fälle gewaltsamen Verschwindenlassens.

Opfer waren Anführer und Aktivisten, aber auch Landarbeiter, die auf Grund ihrer politischen Überzeugung zur Zielscheibe wurden. Nach der systematischen Verfolgung und Ermordung über Jahrzehnte verlor die Partei schließlich 2002 ihren Rechtsstatus den sie erst 2013 mit Hilfe eines Urteils wiedergewinnen konnte. Als Täter gelten Mitarbeiter der Verwaltungsabteilung für Sicherheit (DAS), Mitglieder der Armee, Polizei und der Paramilitärs. Zwei Generäle, die in den Fall verwickelt sein sollen,  müssen sich bereits vor Gericht verantworten: Jaime Uscátegui und Rito Alejo del Río. Schwieriger stellt sich die Verfolgung der Mitglieder der Paramilitärs dar: Diese kommen lediglich vor Gericht, wenn sie ihre Beteiligung freiwillig anerkennen.

Die UP ist eine politische Bewegung, die 1985 aus den Friedensverhandlungen zwischen der Regierung von Belisario Betancur (1982-1986) und der Guerrilla Farc-EP hervorging. Teil des Abkommens war die Gründung einer Partei, um einerseits die politische Partizipation von marginalisierten Gruppen zu vergrößern und andererseits einen Übergangsmechanismus zur Politik für entwaffnete Farc-Mitglieder zu schaffen. Bereits 1986 nahm die UP als Partei an den Wahlen teil und bot erstmals eine Alternative zu den traditionellen Parteien der Liberalen und Konservativen an, welche sich bis 1974 die politische Macht als Nationale Front (Frente Nacional) abwechselnd aufgeteilt hatten. In den Wahlen erreichte die UP auf Anhieb 5 Sitze im Senat und 9 in der Repräsentantenkammer.

Der Fall der UP ist der aktuellste von sechs Fällen, der seit 2018 von der JEP untersucht werden.

Viel Aufsehen hatte in den letzten Wochen ein Bericht von Human Rights Watch erregt. Dieser deckt im Bezug zum dritten Fall (der "falsos positivos") auf, dass neun Armeegeneräle, die kürzlich von der aktuellen Regierung von Präsident Iván Duque befördert wurden, direkt an den außergerichtlichen Hinrichtungen beteiligt waren.