Chile: Regierung verschärft Repression, Proteste gehen weiter

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Die Proteste richten sich nun auch gegen das "Gesetz gegen Vermummte"
Die Proteste richten sich nun auch gegen das "Gesetz gegen Vermummte"

Santiago. Angesichts der weiterhin massiven Proteste setzt die chilenische Regierung um Präsident Sebastián Piñera auf eine Verschärfung der Repression. Piñera erklärte daüber hinaus, dass es Hinweise auf eine Einmischung ausländischer Regierungen gebe, die zu den Protesten geführt hätten. Die Proteste gingen über das Wochenende unvermindert weiter, für die kommende Woche sind bereits weitere Protestaktionen angekündigt.

Am Donnerstag hatte Piñera angekündigt, eine Reihe von Gesetzesprojekten auf den Weg bringen zu wollen, die Strafverschärfungen für das Agieren von Demonstranten bedeuten. Zum einen soll das "Gesetz gegen Vermummte" auf den Weg gebracht werden. Darüber hinaus soll das Bauen von Barrikaden bzw. der Eingriff in den Straßenverkehr härter bestraft werden, genauso wie Plünderungen und Angriffe auf Polizisten. Außerdem soll die Polizei modernisiert und Überwachungsmaßnahmen sowie geheimdienstliche Tätigkeiten ausgeweitet werden.

Die Ankündigungen sorgten für heftigen Widerspruch in sozialen Medien und auf Demonstrationen. Die konservative Regierung, deren Rücktritt eine der Hauptforderungen der Menschen auf den Straßen ist, hat bisher keinen Weg gefunden, mit den nicht endenden Protesten umzugehen. Angekündigte Sozialreformen, wie die Erhöhung des Mindestlohns und der Mindestrente, gehen den meisten Chilenen nicht weit genug. Einer Umfrage der Universidad de Chile zufolge wollen 83 Prozent der Befragten eine neue Verfassung, 75 Prozent wiederum unterstützen die Forderung nach einer verfassungsgebenden Versammlung. Die Verfassung, die während der Militärdiktatur zur Sicherung des neoliberalen Modells über die Zeit der Diktatur hinaus verfasst wurde, gilt als größtes Problem für den Wandel, den ein Großteil der Bevölkerung anstrebt. Rund 55 Prozent der Chilenen haben sich in irgendeiner Form aktiv an den Protesteten beteiligt. Bereits Ende Oktober war die Unterstützung der chilenischen Bevölkerung für die Politik des Präsidenten auf ein historisch einmaliges Tief von 14 Prozent gefallen.

Die allgemeine Unzufriedenheit mit dem Zustand der Gesellschaft und der Regierung scheint für den Präsidenten und die Oberschicht, die er vertritt, allerdings nicht nachvollziehbar zu sein. Bereits zu Beginn der Proteste kursierten Verschwörungstheorien in sozialen Medien. Linke Politiker hätten demnach 6.000 Ecuadorianer ins Land gebracht, um Ausschreitungen zu provozieren, oder die Proteste seien von Venezuela aus gesteuert. Das Außenministerium der USA hatte am 1. November erklärt, russische Trolle hätten die Proteste in Chile angeheizt. In einem Interview mit der spanischen Tageszeitung El País hatte Piñera, angesprochen auf einen möglichen Einfluss aus dem Ausland, erklärt: "Ich schließe nichts aus. Ich habe viele Informationen erhalten, einige davon aus dem Ausland, aus denen hervorgeht, dass ausländische Regierungen hier eingegriffen haben." Einen Beleg für seinen Verdacht blieb er allerdings schuldig.

Das brutale Agieren der Polizei gegen die Proteste fordert indes immer mehr Opfer. Mehr als 180 Demonstrierende haben wegen des illegalen Einsatzes von Gummigeschossen, die entgegen der gesetzlichen Vorgaben von der Polizei gezielt auf Kopfhöhe geschossen werden, bereits ein oder sogar beide Augen verloren. Nach Angaben des Roten Kreuzes wurden mehr als 2.500 Menschen während der Proteste verletzt, nach Angaben das Nationalen Instituts für Menschenrechte 400 durch den Einsatz von Schusswaffen. Auf in sozialen Medien verbreiteten Videos ist zu sehen, wie Demonstranten deswegen dazu übergehen, selbstgebaute Schutzschilder zu verwenden, um sich vor der Polizeigewalt zu schützen.

Für den kommenden Dienstag, den 12. November, hat der Gewerkschaftsdachverband CUT erneut zu einem Generalstreik aufgerufen. Die Proteste werden also, komme was wolle, weitergehen trotz der bereits jetzt brutalen Repression und der angekündigten Gesetzesverschärfungen.