Caracas. Die venezolanischen Erdölexporte sind in der ersten Junihälfte nach Informationen der Agentur Reuters um 28 Prozent eingebrochen und liegen damit auf dem niedrigsten Stand seit 70 Jahren. Das von den USA verhängte Embargo und der damit einhergehende Druck auf Unternehmen und Staaten, die venezolanisches Erdöl kaufen und weiterverarbeiten, entfaltet also immer mehr Wirkung. Die Exporte sollen sich im Juni bisher nur auf durchschnittlich 325.000 Barrel pro Tag (bpd) belaufen haben und lagen damit unter dem im Mai verzeichneten 17-Jahres-Minimum von 452.000 bpd. Würde dieser Schnitt in den kommenden zwei Wochen beibehalten, könnte das Juni-Exportvolumen das niedrigste seit den 1940er Jahren werden.
Der Rückgang der Exporte hat laut Reuters auch dazu geführt, dass die venezolanischen Lagerkapazitäten nicht mehr ausreichen. Das staatliche Ölunternehmen PDVSA ist dadurch gezwungen, die ohnehin schon seit langem lahmende Produktion weiter zu reduzieren.
Trotz der Sanktionen haben die PDVSA und ihre Joint Ventures-Partner laut internen Firmendokumenten und Daten der zu Reuters gehörenden Analyseplattform Refinitiv Eikon im Juni bisher sieben Lieferungen von Rohöl und Treibstoff an langjährige Kunden wie das italienische Unternehmen Eni, das spanische Unternehmen Repsol und das kubanische Staatsunternehmen Cubametales exportieren können. Repsol, das wie Eni venezolanisches Öl als Zahlung von Dividenden und Schulden erhalten soll, betonte jedoch, das Unternehmen halte sich dabei an die von den USA verhängten Sanktionen und Vorschriften. Auch Eni erklärte, man handele in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der USA und stehe im ständigen Austausch mit den dortigen Behörden.
China wiederum hat offiziell seit September 2019 kein venezolanisches Erdöl mehr importiert. Informationen von Bloomberg und des Datennachrichtendienstes Kpler deuten jedoch darauf hin, dass China immer noch Erdöl aus dem südamerikanischen Land bezieht: Anfang dieser Woche sollen sich bis zu 3,3 Millionen Barrel vor der chinesischen Küste im Wartezustand befunden haben, weitere fünf Millionen Barrel würden sich derzeit auf dem Weg zum Hafen von Qingdao befinden.
Bloomberg berichtet unter Berufung auf den Kplers-Analysten Sean Tan, dass die chinesischen Händler dabei durchaus erfinderisch vorgehen, um die US-Sanktionen zu umgehen: Der größte Teil des venezolanischen Rohöls soll sich auf Tankschiffen befinden, die ihre Lieferungen nicht direkt von venezolanischen Häfen abgeholt haben, sondern die über Schiff-zu-Schiff-Transfers in der Straße von Malakka zwischen Indonesien und Malaysia betankt wurden.
Dass China trotz der dadurch drohenden Auseinandersetzung mit den USA weiterhin auf venezolanisches Erdöl setzt, hat laut Serena Huang, Senior Analystin bei der Marktanalysefirma Vortexa Ltd., einen speziellen Grund: Venezuelas schwer-saure Rohöle mit ihrem hohen Rückstandsgehalt seien bei chinesischen Raffinerien ein beliebter Rohstoff.
Aber auch der Export nach Venezuela ist von den US-Sanktionen betroffen. Anfang Juni erst hatte das US-Finanzministerium vier Firmen sanktioniert, die Erdöl nach Venezuela geliefert haben sollen. Dabei handelt sich um drei Unternehmen von den Marshallinseln und eins aus Griechenland. Sie sollen im Besitz von Tankern sein, die zwischen Februar und April Erdöl nach Venezuela verschifft haben.
Dem Druck der USA will sich hingegen der mexikanische Präsident, Andrés Manuel López Obrador, nicht beugen. Er erklärte am Montag vor Pressevertretern, er würde eine entsprechenden Bitte Venezuelas um Öllieferungen "aus humanitären Gründen" nicht zurückweisen. Diese sei bisher aber noch nicht eingegangen. Auf Nachfrage, warum er damit eine Konfrontation mit der US-Regierung riskiere, entgegnete er, Mexiko sei ein souveränes Land, das seine eigenen Entscheidungen treffe.
Erst im Mai hatte der Iran fünf Öltanker nach Venezuela geschickt, um dem wirtschaftlich stark unter Druck stehenden Land zu helfen. Dies beabsichtige die Islamische Republik auch weiterhin zu tun. Man könne zwei bis drei Schiffsladungen pro Monat nach Venezuela liefern, zitiert Reuters aus iranischen Regierungskreisen.