Wien/Caracas. Der jüngste Monatsbericht der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) zeigt einen Rückgang der Produktion in Venezuela von 555.000 Barrel pro Tag (bpd) im Mai auf 356.000 Barrel im Juni.
Venezuelas Ölproduktion ist seit drei Jahren stetig gesunken: Von Durchchnittswerten von 1,911 Millionen bpd (2017) auf 1,354 (2018) infolge der US-Sanktionen gegen Petróleos de Venezuela S.A. (PDVSA) im August 2017. Im Jahr 2019 wurde das Land zusätzlich mit einem Ölembargo und einem generellen Verbot jeglicher Geschäfte mit venezolanischen Staatseinheiten belegt. Nachdem die Produktion im Lauf des Jahres zurückgegangen war, stabilisierte sie sich im letzten Quartal und erreichte einen Durchschnitt von 796.000 bpd.
Das US-Finanzministerium verfügte 2020 weitere Strafmaßnahmen, um Venezuelas Haupteinnahmequelle abzuschneiden, und verhängte Sekundärsanktionen gegen zwei Rosneft-Tochtergesellschaften. Der russische Energiekonzern war gezwungen, seine Aktivitäten in dem südamerikanischen Land einzustellen und seine Vermögenswerte auf eine Holdinggesellschaft im Besitz des Kreml zu übertragen. Rosneft hatte bis zu 60 Prozent der venezolanischen Ölproduktion transportiert und weitergeleitet.
Aufgrund der Sekundärsanktionen, zusammen mit niedrigen Ölpreisen und einer schrumpfenden globalen Nachfrage aufgrund der Corona-Pandemie, musste PDVSA die Produktion in mehreren Projekten und Joint Ventures einstellen, da das Unternehmen nicht genügend Lagerraum für unverkauftes Rohöl hat.
Die angeschlagene staatliche Firma könnte eine kurzzeitige Atempause bekommen: Medienberichten zufolge wird Reliance Industries, Indiens größtes Privatunternehmen, die erste Charge seit Monaten im Rahmen eines Öl-Diesel-Swap-Geschäfts verladen. Sowohl Reliance als auch die Reederei NGM Energy haben betont, dass die Transaktion von US-Behörden "begleitet" wird.
Der indische Raffineriegigant trug im letzten Quartal 2019 zur Stabilisierung der venezolanischen Erdölindustrie bei, bevor die Drohung mit Sekundärsanktionen ihn dazu brachte, seine Geschäfte mit PDVSA auszusetzen.
Washington verschärfte seine Maßnahmen dann noch weiter und nahm Schifffahrtsunternehmen und Schiffe ins Visier.
Die gegen die Reedereien Delos Voyager Shipping, Sanibel Shiptrade und Adamant Maritime (Marshall Islands) sowie Romina Maritime (Griechenland) verhängten Sanktionen wurden erst aufgehoben, nachdem diese zugesagt hatten, alle Geschäfte mit Venezuela einzustellen. Mehrere weitere Unternehmen, die mit Strafmaßnahmen belegt oder bedroht wurden, weil sie in den vergangenen zwölf Monaten venezolanisches Erdöl transportierten, gelobten dies ebenfalls.
Der US-Sonderbeauftragte für Venezuela, Elliott Abrams, zeigt sich sicher, dass die Sanktionspolitik die gewünschten Wirkung zeige. "Sie werden sehen, dass sich die meisten Reeder und Versicherungsunternehmen einfach von Venezuela abwenden werden", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.
Das Finanzministerium drängt zudem die zuständigen Stellen, denjenigen Schiffen, die gegen die US-Sanktionen verstoßen, die Zertifizierung zu entziehen. Damit würden sie wegen Vertragsbruchs den Versicherungsschutz für das Schiff und die Ladung verlieren.
Eine von Reuters zitierte Quelle aus der Schifffahrtsindustrie sagte, dass die US-Maßnahmen gegen Venezuela zu einer erheblichen Unsicherheit in der Handelsschifffahrt geführt haben.
Abrams, der in Washington als neokonservativer Hardliner und entscheidender politischer Architekt hinter den US-Kriegen im Irak und in Mittelamerika bekannt ist, gelobte seinerseits, den angeschlagenen Exportmarkt Venezuelas weiter ins Visier zu nehmen: "Es gibt Leute, die nicht kooperieren. Wir werden hinter dem Schiff her sein, hinter dem Besitzer, hinter dem Kapitän."