Argentinien / Politik

Pläne für Justizreform schlagen in Argentinien hohe Wellen

Zahl der Bundesrichter und Gerichte soll deutlich erhöht werden. Mehr Transparenz und weniger politische Einflussnahme. Gegner sehen Gefahren

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Der Justizpalast in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires
Der Justizpalast in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires

Buenos Aires. Der Senat in Argentinien hat in dieser Woche die Debatte über die von Präsident Alberto Fernández angekündigte Justizreform begonnen. Auch wenn Fernández das Projekt bereits im Wahlkampf im vergangenen Jahr angekündigt hatte, verursachte dessen Bekanntgabe in der vergangenen Woche eine breite öffentliche Diskussion, in der allen voran Teile der politischen Opposition ihre Bedenken äußerten. Am Dienstag verteidigte Justizministerin Marcela Losardo vor dem Senat die Reform, die zum Ziel habe, "das Justizsystem zu verbessern". Auch Fernández sprach bei der Vorstellung des Projekts davon, eine "unabhängige Justiz" etablieren zu wollen, die "höchste Maßstäbe von Transparenz" garantiere und Prozesse mit "Seriosität und Effizienz" führen könne.

Herzstück der Reform ist die geplante Zusammenlegung des Bundesstraf- und Strafvollzugsgerichts sowie des Gerichts für Wirtschaftsstrafrecht. Dafür soll in der Hauptstadt Buenos Aires ein Bundesstrafgerichtshof geschaffen werden. Die Pläne sehen zudem eine deutliche Erhöhung der Anzahl der Staatsanwälte und Richter vor. Derzeit gibt es zwölf Bundesrichter, die sich mit allen Fällen von Korruption, Drogenhandel, Menschenschmuggel und Geldwäsche befassen. In Zukunft sollen es 23 sein. Damit soll die Kontrolle, insbesondere von Korruptionsvergehen, auf mehrere Schultern verteilt werden. Auch die Zahl der Gerichte soll auf 23 steigen.

Die Reform zielt auch darauf ab, der Stadt Buenos Aires die Zuständigkeit für die Untersuchung und Beurteilung aller auf ihrem Territorium begangenen nichtbundesweiten Verbrechen zu übertragen. Dies beträfe wohl vor allem Fälle von Korruption. Jedoch soll auch die Justiz im Landesinneren gestärkt werden, auch dort soll die Anzahl der Richter und Gerichte deutlich ansteigen.

"Wir müssen die Strukturprobleme des Landes lösen", begründete Präsident Fernández die Reformpläne. Eines der Probleme sei das Funktionieren des föderalen Justizsystems. Es solle "nie wieder jemand ohne ausreichende Beweise" verfolgt werden, so Fernández weiter. Er spielte dabei auf die nicht erfolgreich verlaufenen Versuche während der Regierung seines Amtsvorgängers, Mauricio Macri, an, Vertreter der politischen Linken, insbesondere die ehemalige Präsidentin und jetzige Vize, Cristina Fernández de Kirchner, verurteilen und damit von politischen Aktivitäten ausschließen zu können.

Gegner des Projekts sehen genau in diesem Punkt der laufenden Ermittlungen gegen linke Politiker und ihnen nahestehenden Unternehmern ein Problem. Sie befürchten, dass die Reform insbesondere dafür gedacht sei, diese Ermittlungen einzustellen. Dem jedoch widersprachen sowohl Fernández als auch Losardo entschieden. Vielmehr würde kein Staatsanwalt und kein Richter von einem laufenden Verfahren abgezogen.

Fernández, selbst ehemaliger Professor für Strafrecht an der Universität von Buenos Aires (UBA), betonte zudem, dass es darum gehe, die Glaubwürdigkeit in das Justizsystem wieder zurückzugewinnen. Dessen Ansehen habe in den Regierungsjahren Macris stark gelitten, da der Eindruck entstanden sei, die Justiz handle vor allem in Abhängigkeit vom politischen Klima.

In den vergangenen Monaten wurde auch bekannt, dass es während Macris Präsidentschaft mutmaßlich zu weit verbreiteten illegalen Überwachungen von Politikern, Richtern, Journalisten, Unternehmern, Geistlichen, Gewerkschaftern und Sozialaktivisten durch den Bundesgeheimdienstes AFI gekommen war. Entsprechende Ermittlungen begannen Anfang Juni und sind noch nicht abgeschlossen. Macris Amtszeit sei durch Maßnahmen geprägt gewesen, "die die Regeln der Unparteilichkeit beeinträchtigten", so Fernández. Dies solle in Zukunft mit Inkrafttreten der Reform ausgeschlossen werden.

Kritiker nennen auch die Kosten, die eine Erweiterung des Justizapparats mit sich bringen würde. Bundesrichter José María Campagnoli kritisierte die Reform als einen "Versuch, eine der Staatsgewalten zu manipulieren" und die neuen Richterposten mit der aktuellen Regierung nahestehenden Richtern zu besetzen.

Félix Crous wiederum, der Leiter des staatlichen Antikorruptionsbüros, sieht in den Plänen der Regierung eine "Rettungsaktion, die mit dem demokratischen Übergang von 1983 verglichen" werden könne, wie er gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Telam erklärte. Es handle sich "um einen Prozess der Wiedererlangung der richterlichen Gewalt durch den Staat".