Argentinien: Anklage gegen Ex-Präsident Macri nach brisantem Fund in Geheimdienstbehörde

Konservativer Politiker soll illegale Machenschaften angeführt haben. Zweite entsprechende Ermittlung. Untersuchung auch gegen andere Ex-Funktionäre

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Die dem Präsidenten unterstellte Geheimdienstbehörde AFI mit Sitz in der Hauptstadt von Argentinien, Buenos Aires
Die dem Präsidenten unterstellte Geheimdienstbehörde AFI mit Sitz in der Hauptstadt von Argentinien, Buenos Aires

Buenos Aires. Die argentinische Justiz hat ein Untersuchungsverfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri und fünf weitere Personen wegen illegaler Spionage eingeleitet. Ein entsprechender Antrag der Staatsanwaltschaft wurde kürzlich von einem Bundesgericht unter Richter Marcelo Martínez de Giorgi genehmigt. Macri, der Argentinien zwischen 2015 und 2019 regierte, soll für die illegale Überwachung von mehr als 80 Personen des öffentlichen Lebens durch die ihm direkt unterstellte Geheimdienstbehörde AFI (Agencia Federal de Inteligencia) verantwortlich gewesen sein.

Die Anklage basiert auf einer Anzeige, die von der neuen Leiterin der AFI, Cristina Caamaño, erstattet worden war. Caamaño wurde nach Macris Abwahl von dessen amtierendem Nachfolger Alberto Fernández mit dem ausdrücklichen Auftrag eingesetzt, die Finanzen sowie die politischen Seilschaften innerhalb der Behörde transparent zu machen. In ihrer Anzeige gegen Macri, den ehemaligen Leiter der AFI, Gustavo Arribas, dessen Stellvertreterin Silvia Majdalani sowie drei weitere Mitarbeiter weist Caamaño explizit darauf hin, dass geheimdienstliche Aktivitäten direkt in der Verantwortung des Staatschefs liegen. Es sei daher unmöglich, dass die Überwachung ohne dessen Weisung, Wissen oder Duldung durchgeführt wurde. "Die willkürlichen Vorgänge in der Behörde während der Vorgängerregierung wurden von keinem Richter angeordnet oder autorisiert, wodurch die verfassungsmäßigen Vorschriften grob verletzt wurden", so Caamaño.

Im Zuge der hausinternen Ermittlungen waren Mitarbeiter der AFI auf eine Festplatte gestoßen, deren Daten nur unzureichend gelöscht waren und deshalb wiederhergestellt werden konnten. Auf dem Datenträger war der ohne jegliche gerichtliche Anordnung abgefangene E-Mail-Verkehr von über 80 Personen des öffentlichen Lebens abgelegt. Die Analyse der Daten ergab, dass die Überwachung spätestens im Juni 2016, ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt von Mauricio Macri, eingesetzt hatte.

Zu den Geschädigten gehören Politiker, Journalisten, Gewerkschafter, politische Aktivisten und sogar einzelne Polizeikommissariate. Die Zielpersonen der illegalen Spionage waren nicht nur Oppositionelle, sondern auch Vertreter und Sympathisanten des damaligen Regierungsbündnisses Cambiemos, darunter mehrere Politiker der Radikalen Partei sowie der regierungstreue damalige Gouverneur der Provinz Rio Negro.

Gabriela Cerrutti, Abgeordnete des aktuellen Regierungsbündnisses Frente de Todos und selbst Betroffene, zeigte sich von der Existenz illegaler Überwachung während der Macri-Regierung wenig überrascht: "Macri verwendete die Spionage dazu, Oppositionelle zu verfolgen und die eigenen Funktionäre sowie Richter unter Druck zu setzen." Ähnlich reagierte Elizabeth Gómez Alcorta, heute Ministerin für Frauen, Geschlechter und Diversität und zuvor Anwältin der inhaftierten sozialen Aktivistin Milagro Sala. In den vergangenen Jahren habe es zahlreiche Hinweise auf die illegalen Aktivitäten der AFI gegeben, sagte sie. Sie erinnerte daran, dass im Januar 2018 aus ihrer eigenen Anwaltskanzlei ein Computer mit Klientendaten entwendet worden war, mutmaßlich im Rahmen eines gewöhnlichen kriminellen Einbruchdiebstahls.

Nach Eröffnung des Untersuchungsverfahrens gegen Macri, Arribas und weitere stehen nun die Verhöre der Mitarbeiter der AFI sowie die weitere forensische Untersuchung des Datenträgers und genaue inhaltliche Auswertungen der gespeicherten Daten an. Die Staatsanwaltschaft beantragte auch die Offenlegung der Personaldaten sämtlicher zwischen 2015 und 2019 neu eingestellten Mitarbeiter sowie aller im Zusammenhang der illegalen Spionage ergangenen Anweisungen. Sollten sich die Beweise erhärten, könnte es zur Eröffnung eines Strafverfahrens kommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Mauricio Macri mit dem Vorwurf konfrontiert ist, als Inhaber eines Regierungsamts illegale Spionageaktivitäten gefördert zu haben. Bereits während seiner Amtszeit als Bürgermeister der Stadt Buenos Aires (2007-2015) war er verdächtigt worden, für den Aufbau eines illegalen Spionagenetzwerks innerhalb der Stadtregierung verantwortlich gewesen zu sein. Dieses Netzwerk hatte, so der Vorwurf, mittels Manipulation gerichtlicher Ermittlungsakten über Jahre die Telefone zahlreicher Personen abhören können. Im Jahr 2010 wurde gegen Macri deswegen Anklage erhoben. Am 29. Dezember 2015, rund drei Wochen nach seinem Amtsantritt als Staatspräsident, wurde das Verfahren jedoch aus Mangel an Beweisen eingestellt.