Pandemie verschärft Versorgungsprobleme von Wayuu in Kolumbien

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Wayuu sind in Kolumbien durch Unterversorgung besonders gefährdet
Wayuu sind in Kolumbien durch Unterversorgung besonders gefährdet

Bogotá/Caracas/New York. Aufgrund der Covid-19-Pandemie und Maßnahmen wie Ausgangssperren und Einschränkungen der Reisefreiheit kann die Sterblichkeit unter Wayuu-Kindern nach neuesten Berichten drastisch ansteigen. Laut der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) und dem Johns Hopkins Center for Humanitarian Health ist für die indigene Gruppe in Kolumbien das Überleben noch schwieriger geworden. Die Pandemie und die Quarantäne machten es für die Wayuu vor allem im nordkolumbianischen Department La Guajira komplizierter denn je, Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und zur Gesundheitsversorgung zu erhalten. Besonders die Kinder seien stark betroffen.

"Ländliche indigene Gemeinschaften in La Guajira haben nicht genügend Nahrung und Wasser für eine grundlegende Hygiene, wie zum Beispiel Händewaschen. Der Zugang zu medizinischer Versorgung und Informationen ist sehr schlecht", sagte José Miguel Vivanco von HRW. Die aktuelle Situation treffe die Wayuu, deren Kinder seit Jahren an Unterernährung leiden, besonders hart. Missmanagement und Korruption unter lokalen Beamten, die Krise im Nachbarland Venezuela und die Auswirkungen des Klimawandels hätten die Ernährungsunsicherheit und die daraus resultierende Mangelernährung noch verschärft. Zudem habe der Bergbau in der Region auch die Qualität und den Zugang zu Wasser für die Wayuu-Gemeinden verschlechtert. Vor allem das Bergwerk Cerrejón wird immer wieder kritisiert.

Mit mindestens 270.000 Menschen sind die Wayuu die größte Gruppe der indigenen Bevölkerung Kolumbiens. Die überwiegende Mehrheit lebt im teilweise wüstenartigen Bundesstaat La Guajira. Die meisten wohnen in ländlichen Gebieten oder Kleinstädten und sind traditionell auf Subsistenzwirtschaft, Ziegenzucht oder Fischfang als Hauptnahrungs- und Einkommensquellen angewiesen. Viele andere arbeiten im Tourismus oder im Salz- oder Kohlebergbau, stellen Kunsthandwerk her oder sind vom Handel mit dem benachbarten Venezuela abhängig. Laut einer Volkszählung der Regierung im Jahr 2018 arbeiten 90 Prozent der Menschen in La Guajira im informellen Sektor.

Während Kolumbien landesweit die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren in den letzten fünf Jahren gesenkt hat, stieg die von Kindern in La Guajira im gleichen Zeitraum an. Die offizielle Todesrate von Kindern unter fünf Jahren aufgrund von Unterernährung in La Guajira war 2019 fast sechsmal höher als der nationale Durchschnitt. Die Sterberate wird von Ärzten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen noch höher geschätzt, da nicht alle Todesfälle regristriert werden, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass viele Kinder zu Hause geboren werden und sterben.

Nur vier Prozent der Wayuu haben Zugang zu sauberem Wasser. 77 Prozent der indigenen Haushalte in La Guajira sind von Ernährungsunsicherheit betroffen, das heißt sie haben keinen sicheren und dauerhaften Zugang zu Nahrungsmitteln in ausreichender Qualität und Menge. Gesundheitseinrichtungen sind oft so weit entfernt, dass sie Stunden reisen müssen um versorgt zu werden. Hinzu kommt die allgegenwärtige Korruption: Kontrollen von Schulspeisungsprogrammen ergaben, dass 30 Milliarden Pesos (fast zehn Millionen US-Dollar) durch Korruption oder Misswirtschaft verloren gingen.

Bis zum 15. August hatten die kolumbianischen Behörden über 2.700 Fälle von Covid-19 in La Guajira bestätigt, darunter 65 bei Wayuu. Landesweit wurden bis zum 10. August über 397.000 Infizierte und 13.000 Todesfälle bestätigt. Das neuartige Coronavirus könnte sich laut HRW leicht innerhalb der Wayuu-Gemeinden ausbreiten.

Im Jahr 2015 forderte die Interamerikanische Menschenrechtskommission die kolumbianische Regierung auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um dem Volk der Wayuu das Recht auf Nahrung, Wasser und Gesundheit zu garantieren. 2016 und 2017 mahnte das Verfassungsgericht die Regierung an und forderte "dringende und vorrangige Maßnahmen zum Schutz der Kinder".