Fall des verschwundenen Facundo Castro bewegt Argentinien

Mutter traf sich in dieser Woche mit Präsident Fernández und Gouverneur Kicillof. Familie und Anwälte gehen von Tod Castros aus. Viele Ungereimtheiten bei Ermittlungen

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Die Mutter von Facundo Castro, Cristina, bei einer Demonstration am Donnerstag in Buenos Aires
Die Mutter von Facundo Castro, Cristina, bei einer Demonstration am Donnerstag in Buenos Aires

Buenos Aires. Knapp vier Monate, nachdem Facundo Castro zuletzt gesehen wurde und nach letzten Erkenntnissen Opfer eines gewaltsamen Verschwindenlassens durch staatliche Sicherheitskräfte wurde, ist es am Donnerstag in der argentinischen Hauptstadt ein weiteres Mal zu Protesten gekommen.

Die Demonstrierenden forderten den Staat und insbesondere die Justiz auf, endlich valide Ermittlungsergebnisse vorzulegen. Im Fokus der Kritik stand dabei vor allem der Minister für Innere Sicherheit der Provinz Buenos Aires, Sergio Berni. Dessen Rücktritt forderte auch Castros Mutter, Cristina, bei einem Treffen mit dem Gouverneur von Buenos Aires, Axel Kicillof. Sie habe viele Fragen an Kicillof gehabt, nun warte sie auf Antworten. Sie vertraue aber darauf, die richtigen Antworten zu bekommen.

Castro war am 30. April nach einer Polizeikontrolle in der Nähe der Stadt Bahía Blanca im Süden von Buenos Aires spurlos verschwunden. Am Mittwoch erklärte einer der Anwälte der Familie, ein gewaltsames Verschwindenlassen Castros könne mittlerweile bestätigt werden. Auf der Demonstration am Donnerstag sagte auch Cristina Castro: "Meinen Sohn werde ich nicht zurückbekommen, aber ich möchte, dass so etwas nie wieder passiert."

Neben der Polizei sollen auch andere Sicherheitskräfte am Verschwindenlassen von Castro beteiligt gewesen sein, so die momentane Indizienlage. Medien berichteten am Donnerstag zudem, dass auch der Bundesstaatsanwalt Santiago Ulpiano Martínez mittlerweile von der These abgerückt sei, dass Castro Opfer eines Unfalls wurde.

Anfang dieser Woche hatte sich Cristina Castro mit Präsident Alberto Fernández getroffen. Auch die Anwälte der Familie, Leandro Aparicio und Luciano Peretto, sowie die Ministerin für Innere Sicherheit, Sabina Frederic, nahmen an dem Treffen teil. Die Mutter des Verschwundenen bedankte sich bei Fernández für seine Ehrlichkeit, jedoch erwarte sie auch von ihm weitere Antworten zum Verbleib ihres Sohnes.

Nachdem die Ermittlungen anfangs nur äußerst schleppend voranschritten und auch die Politik um Fernández und Kicillof im Fokus der Kritik stand, richtet sich nun die Aufmerksamkeit immer mehr auf die Justiz und Bundesstaatsanwalt Martínez.

Martínez war von Fernández Vorgänger Mauricio Macri berufen worden. Er soll eine zweifelhafte Vergangenheit haben. Menschenrechtsorganisationen kritisierten unter anderem seine schützende Haltung für Mitglieder der Militärdiktatur (1976-1983) und straffällig gewordene Polizisten.

Cristina Castro sieht in dem Bundesstaatsanwalt wie viele andere den Hauptverantwortlichen für die bisher mangelhaften Ermittlungsergebnisse. Die Justizangestellten arbeiteten "desaströs, sie schauen weg und machen mit der Polizei gemeinsame Sachen", so Castro.

Nach dem Treffen mit dem Präsidenten am Montag hätten die Ermittlungen "auf wundersame Art" plötzlich Schwung aufgenommen, so der Anwalt Aparicio. Am Dienstag wurde eine Autopsie eines Leichnams eingeleitet, der in einem Kanal in der Nähe des Ortes von Castros letztem bekannten Aufenthaltsort gefunden wurde. Die Bekanntgabe der Ergebnisse soll nun allerdings bis zu 30 Tage dauern.

Der zuständige Gouverneur Kicillof erklärte in dieser Woche, seine Hand werde "nicht zittern, alle notwendigen Maßnahmen" zu ergreifen, wenn es eine institutionelle Verantwortung für die Tat und die bisher ergebnislosen Ermittlungen gebe.

Seit Bekanntwerden des Verschwindens von Castro war es zu vielen offensichtlichen Ungereimtheiten gekommen. So soll beispielswiese ein Bruder der Ex-Freundin von Castro nach eigenen Angaben festgenommen und es soll unter folterähnlichen Umständen versucht worden sein, ihm ein Geständnis für die mutmaßliche Tat zu entlocken.

Wie die Mutter von Facundo in einem Interview mit pagina12 erklärte, soll die Polizei auch versucht haben, ihr einzureden, dass sich ihr Sohn bei seiner Ex-Freundin aufhalte. Dann tauchte ein Foto auf, bei dem Facundo neben einem Polizeiwagen mit nur einem Schuh an den Füßen zu sehen und mit Handschellen gefesselt gewesen ist. Die Existenz dieses Fotos verheimlichte die Polizei der Mutter gegenüber zunächst wochenlang.

Mit Zustimmung der Bundesrichterin María Gabriela Marrón ordnete die Staatsanwaltschaft nun auch die Untersuchung eines Polizeireviers in Bahía Blanca an und beschlagnahmte ein Handy und andere Kommunikationsgeräte. Dabei kam heraus, dass das Handy am 8. Mai eine "ungewöhnliche und verdächtige Tour" gemacht habe und für über eine halbe Stunde weniger als einen Kilometer entfernt von dem Ort gewesen sei, an dem der nun autopsierte Leichnam gefunden wurde.

In Argentinien kommt es immer wieder zu ähnlichen Fällen. Auch das Verschwinden von Santiago Maldonado hatte vor drei Jahren viel Aufmerksamkeit erregt.