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Aufrüstung der Polizei im Vorfeld der Wahlen in Bolivien sorgt für Unruhe

Putschregierung investiert in nur acht Monaten über 15 Millionen Dollar in Polizeiwaffen. Großeinsätze von Polizei und Militär am Wahlwochenende

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Allein im Departamento La Paz werden am 18. Oktober 5.000 Polizisten eingesetzt
Allein im Departamento La Paz werden am 18. Oktober 5.000 Polizisten eingesetzt

La Paz/Santa Cruz. Die Veröffentlichung der aktuellen Haushaltsausgaben der De-facto Regierung in Bolivien sorgt für Diskussionsstoff. Der Kauf von Waffen für die Polizei ist inmitten der Pandemie und im Vorfeld der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen um ein Vielfaches gestiegen. Der Kritik von Seiten der Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS) begegnen Regierungsspitzen mit der "Notwendigkeit der Verteidigung der Demokratie".

Laut aktuellen Daten des Nationalen Statistischen Instituts beliefen sich die Ausgaben für Polizeiwaffen im Zeitraum von Januar bis August 2020 auf 15,25 Millionen US-Dollar. Verglichen mit den Ausgaben der Vorgängerregierung unter Evo Morales im Jahr 2018 hat die De-facto-Regierung damit in gerade mal acht Monaten des laufenden Jahres 31-mal mehr in Waffenkäufe für die Polizei investiert. 2019 beliefen sich die Gesamtinvestitionen auf 850.000 US-Dollar.

Allein im März wurden 10,6 Millionen US-Dollar in die Polizeibewaffnung investiert – exakt in dem Monat, als die Interimspräsidentin Jeanine Áñez den sanitären Notstand aufgrund der Covid-19-Pandemie ausgerufen hatte. Der Regierung fehlte es seit Beginn der Quarantäne an Geldern für den Kauf von Beatmungsgeräten, Schnelltests und anderen Bedarfsmitteln zur Bekämpfung der Pandemie. Aus diesem Grund stoßen die Waffenkäufe auf heftige Kritik.

Polizei und Militär waren wesentliche Akteure beim Putsch im vergangenen Jahr, die Präsident Morales und seinen Vize Álvaro García Linera ins Exil zwangen.

Morales kommentierte auf seinem Twitter-Account: "Während Bolivien eine der schlimmsten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte erlebt, gibt die De-facto-Regierung 15 Millionen US-Dollar für Polizeiwaffen aus. Dies zeigt die Prioritäten des Regimes, das das Land in Unruhe versetzen will." Der MAS-Abgeordnete Édgar Montaño warf der De-facto-Regierung vor, Waffen auf illegale Weise zu registrieren.

"Wenn Herr Montaño wegen der Bewaffnung unserer Polizei für den Fall des Konfliktes besorgt ist, dann soll er das tun. Wir werden es nicht zulassen, dass die Demokratie aufs Spiel gesetzt wird. Die Demokratie gilt es zu respektieren, egal um welchen Preis", erwiderte der Innenminister der De-facto-Regierung, Arturo Murillo, seinen politischen Kontrahenten. "Selbstverständlich hat der Staat das Recht auf solche Käufe. Wir kaufen für unsere nationale Polizei, für unsere Armee, um die Demokratie zu verteidigen", so Murillo weiter. Allein im Departamento La Paz werden am 18. Oktober 5.000 Polizisten eingesetzt.

Die Diskussionen um den Einsatz der Sicherheitskräfte bei den Wahlen finden inmitten eines Wahlkampfes statt, der von zahlreichen Gewalttaten überschattet ist. Das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Bolivien hat seit dem 6. September 27 Gewaltanwendungen gegen Kandidaten verschiedenster Parteien verzeichnet. Aus diesem Grund rufen die Delegation der Europäischen Union in Bolivien, die Vereinten Nationen und die bolivianische katholische Bischofskonferenz alle Parteien "zu Toleranz und zur Schaffung einer friedlichen Stimmung" auf. Angesicht der hitzigen Debatten und Provokationen zwischen den politischen Lagern ist dies jedoch kaum zu erwarten.

"Wir stehen kurz vor den Wahlen am 18. Oktober. Die Polizei wird handeln, genauso wie das Militär. Wir werden nicht tatenlos zuschauen", drohte Murillo am Montag auf einer Pressekonferenz in Santa Cruz kurz nach seiner Rückkehr aus den USA. Dort hatte er sich mit dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, und Funktionären des US-Außenministeriums getroffen. Ohne auf Einzelheiten der Treffen einzugehen, hatte Murillo lediglich berichtet, dass es sich "um sehr sensible Themen in Sachen staatliche Sicherheit" gehandelt habe.

Der ehemalige Außenminister, Diego Pary, erklärte gegenüber der Presse, dass ein Innenminister normalerweise nicht für diplomatische Treffen mit internationalen Vertretern zuständig sei. Er habe vielmehr für die öffentliche Ordnung zu sorgen. "Das sind klare Anzeichen dafür, dass es einen Plan gibt, um den normalen Ablauf der Wahlen zu stören", so Pary.

Unterdessen sorgte am Mittwoch ein weiterer Skandal im Militär für Aufsehen. Montaño präsentierte auf einer Pressekonferenz in La Paz zwei Schreiben aus der Militärmarineschule "Eduardo Avaroa Hidalgo" in La Paz. Darin wird auf den Verlust von mehreren Waffen hingewiesen. Sie sind vom Kommandanten der Einrichtung, Franz Salazar, unterzeichnet. Montaño verlangte vom aktuellen Verteidigungsminister, Luis Fernando López, eine Stellungnahme, inwieweit er Kenntnis von den Geschehnissen hatte.

Die Ombudsstelle für Menschenrechte veröffentlichte noch am selben Tag eine offizielle Anfrage an die Interimspräsidentin Jeanine Áñez. Darin fordert sie eine Aufklärung des Verbleibs und eine detaillierte Auflistung der verschwundenen Waffen.