Bolivien / Politik

Bolivien begeht in feierlichem Staatsakt Einführung von Präsident Luis Arce

Zahlreiche internationale Gäste, darunter Vertreter sozialer Organisationen. Indigene und Gewerkschafter als Schutz in La Paz präsent

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Präsident Luis Arce, sein Vize David Choquehuanca und Senatspräsident Andrónico Rodríguez (MAS) nach der Amtseinführung
Präsident Luis Arce, sein Vize David Choquehuanca und Senatspräsident Andrónico Rodríguez (MAS) nach der Amtseinführung

La Paz. Bolivien hat am Sonntag unter Anwesenheit vieler internationaler Gäste die Einführung seines neuen Präsidenten Luis Arce gefeiert. Nach dem Putsch vom vergangenen Jahr und der angespannten sozialen und politischen Lage seitdem hofft der Andenstaat nun auf die Rückkehr zu Stabilität und gesellschaftlichem Frieden.

Arce schwor gegenüber seinem zukünftigen Vizepräsidenten, David Choquehuanca, unter den "Jallalla"-Rufen der anwesenden Senator:innen und Abgeordneten den Amtseid. Choquehuanca, der indigener Abstammung ist und dem ein bedeutender Anteil am überzeugenden Wahlsieg des Duos und ihrer Bewegung zum Sozialismus (MAS) zugerechnet wird, hatte die Übergabe der Präsidentenschärpe übernommen. Diese ziert nun auch wieder die für die indigene Bevölkerung stehende Whipala-Flagge, die von der Putschregierung entfernt worden war.

In seiner Rede nach der Amtsübernahme zeigte sich Arce zuversichtlich und versöhnlich. Wenn er die jüngere Vergangenheit Boliviens betrachte, glaube er, nach "allem was wir durchleben mussten und überstanden haben, an ein besseres Bolivien, indem wir unter der Beteiligung und dem Mitwirken aller Bolivianer Seite an Seite in Richtung eines friedlichen Zusammenlebens gehen werden". Dieses solle durch "Prinzipien der Selbstbestimmung der Völker, der Nichteinmischung, der Blockfreiheit und der vollen rechtlichen und politischen Gleichheit" geprägt sein.

Er wolle sich auch aktiv an der Wiederbelebung der Staatenbündnisse Unasur (Union südamerikanischer Nationen) und Celac (Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten) beteiligen und damit die regionale Integration, die von verschiedenen progressiven Regierungen des Kontinents vor etwa 15 Jahren begonnen wurde, wieder vorantreiben. Diese hatte nach den Wahlerfolgen und Putschen der Rechten in den letzten Jahren einen großen Rückschlag erlitten.

Die eingeladenen angereisten Politiker:innen und Delegationen waren vielfältig wie auch lagerübergreifend. Empfangen wurden einige von ihnen am Samstag auf dem Flughafen von El Alto mit staatlichen Ehren, angeführt vom neuen Senatspräsidenten Andrónico Rodríguez, einem 31-jährigen Gewerkschaftsführer von Kokabauern, und dem ebenfalls neuen Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Freddy Mamani.

Ab Samstag waren Gäste wie der spanische König Felipe VI. zusammen mit Vizepräsident Pablo Iglésias, der argentinische Präsident Alberto Fernández, die Präsidenten von Paraguay (Abdo Benítez), Mexiko (Andrés Manuel López Obrador) und Kolumbien (Iván Duque) angereist. Iran schickte seinen Außenminister Mohammad Javad Zarif, der direkt von seinem Besuch in Venezuela weitergereist war. Venezuelas Regierung wiederum war vertreten durch Außenminister Jorge Arreaza.

Auch der Präsidentschaftskandidat der neu formierten Linken für die im kommenden Februar anstehenden Wahlen in Ecuador, Andrés Arauz, reiste an, wie auch die Außenminister Chiles (Andrés Allamand) und Uruguays (Francisco Bustillo). Peru schickte den Präsidenten des Ministerrats, Walter Martos.

Insgesamt kamen 15 internationale Delegationen sowie soziale Organisationen aus 17 Ländern für die Amtseinführung nach Bolivien. Der neue Präsident freute sich explizit auch über Vertreter der gerade abgewählten Regierung von US-Präsident Donald Trump. Bereits am Samstag hatte sich Arce mit ihnen getroffen, angeführt vom Unterstaatssekretär des Finanzministeriums für internationale Angelegenheiten, Brent McIntosh. Arce äußerte am Sonntag die Hoffnung, dass sich die Beziehungen zu den USA mit dem dort gewählten Präsidenten Joe Biden merklich verbessern werden.

Bereits im Vorfeld der Einführung sowie bei der offiziellen Rede selbst betonte Arce die großen Aufgaben, die vor seiner künftigen Regierung liegen. Insbesondere müsse das Land aus der Wirtschaftskrise herausgeführt werden, die zwar, auch Corona-bedingt, praktisch alle Länder des Kontinents getroffen habe, Bolivien "aber ganz besonders".

In der Zeit der De-facto-Regierung seien "Arbeitslosigkeit, Armut und Ungleichheit" im Land stark angestiegen, so Arce während des Aktes am Sonntag.

Die guten Beziehungen zu einigen Nachbarländern müssten wiederbelebt werden und frei von Vorurteilen sein. Arce erklärte, zumindest eine gemeinsame Gesprächs- und Verhandlungsbasis mit dem rechtsextremen Präsidenten von Brasilien, Jair Bolsonaro, anzustreben. Dies sei wichtig, um "gute Geschäfte" machen zu können, so der ehemalige Wirtschaftsminister unter Evo Morales.

Ex-Präsident Evo Morales wiederum wäre gerne selbst bei der gestrigen Amtseinführung dabei gewesen, erklärte aber am Morgen über Twitter aus seinem Exil in Argentinien, dass dies ein falsches Zeichen gewesen wäre. Morales brach jedoch noch gestern in Buenos Aires auf und will am heutigen Montag die Grenze zwischen La Quiaca und Villazon überqueren, um nach Chimore in Cochabamba weiterzureisen. Er soll aber keine offizielle Funktion in der neuen Regierung übernehmen.

Abwesend war auch die Putsch-Präsidentin, Jeanine Añez. Anstatt, wie in der Vergangenheit üblich, persönlich dem neuen Präsidenten die Präsidentenschärpe zu überreichen, reiste sie in ihre Heimatprovinz Beni und entzog sich damit einem letzten öffentlichen Auftritt nach ziemlich genau einem Jahr des Regierens ohne Mandat durch Wahlen.

Für einen sicheren Ablauf sorgten im Hintergrund der Amtseinführung neben dem Gewerkschaftsdachverband (COB) auch rund 10.000 Indigene sowie 500 Minenarbeiter. Nach dem Anschlag auf das Kampagnenbüro der MAS am Donnerstag, in dem zu dem Zeitpunkt auch Arce selbst anwesend war, war die Notwendigkeit eines erhöhten Schutzes nochmals deutlich geworden.

Arce und Choquehuanca waren bereits am Freitag in der antiken Ruinenstätte Tiwanaku mit einer traditionellen Opferzeremonie für "Mutter Erde" (Pachamama) als neue Präsidenten des Plurinationalen Staates Bolivien vereidigt worden. Bei dem Ritual, das etwa 15 Kilometer südöstlich des Titicacasees durchgeführt wurde, übergaben die indigenen Völker den beiden in einem Aymara-Ritual symbolisch einen Kommandostab.