La Plata. In Lisandro Olmos nahe der Provinzhauptstadt La Plata ist das erste Schutzzentrum für von häuslicher Gewalt betroffene Landarbeiterinnen eröffnet worden. Initiatorin und Trägerorganisation ist die Landarbeiter:innengewerkschaft UTT, die in 15 von insgesamt 23 argentinischen Provinzen aktiv ist. Das Zentrum wird autonom geführt und ausschließlich aus Eigenmitteln der Gewerkschaft finanziert. Es soll als Modelleinrichtung fungieren, welche in der Folge auch in anderen Provinzen umgesetzt werden soll.
Anlass für das Projekt war die Ermordung der 25-jährigen Landarbeiterin Lucía Correa, selbst Mitglied in der UTT, durch ihren Lebensgefährten im August des Vorjahres. Der Fall führte zu Debatten über die mangelnde Schutzfunktion des Staates bei Gewalt an Frauen, insbesondere im ländlichen Raum. Laut Julieta Arévalo von der UTT verschärfte sich zuletzt das Problem häuslicher Gewalt während der Corona-Pandemie massiv. In Kleinstädten und auf dem Land blieben bei einer Anzeige aufgrund männlicher Seilschaften und Vetternwirtschaft die weiteren Untersuchungen oft ergebnislos. Die Betroffenen seien gezwungen, nach La Plata zu fahren und sich an die Beauftragte für Frauen und Familien der Polizei zu wenden, wo oft kein Personal eingesetzt sei. Daher fordern sie den Sicherheitsminister Sergio Berni auf, das Gesetz zum integralen Schutz der Frauen durchzusetzen.
María Carolina Rodríguez, Genderbeauftragte der Landarbeiter:innengewerkschaft und Leiterin des neuen Frauenschutzzentrums, skizziert die Probleme, mit denen die betroffenen Frauen zu kämpfen haben: "Eine Anzeige zu erstatten, ist eine große Hürde, und oft sind die nächsten Polizeireviere weit entfernt. Wenn eine Genossin nicht weiß, wohin sie mit ihren Kindern soll, öffnen sich ihr die Türen des Zentrums." Dieses wird nicht nur als Zufluchtsort dienen, sondern es werden dort auch rechtliche Beratung und berufliche Weiterbildung angeboten. So soll es etwa Kurse geben, in denen die Frauen die Herstellung von Süßigkeiten und Konserven oder das Ziehen von Heilpflanzen erlernen können. Die Produkte werden dann in den gewerkschaftseigenen Läden vertrieben. Ein Teil der Einnahmen fließt wiederum an das Schutzzentrum zurück.
Die UTT betont zudem die Bedeutung des Zugangs zu eigenem Land und einer gerechteren Verteilung.
Im Oktober vergangenen Jahres brachte sie im Nationalkongress zum bereits dritten Mal einen entsprechenden Gesetzesantrag ein. Dieser schlägt ein staatlich gestütztes System für einen erleichterten Zugang zu Krediten für die landlose Bevölkerung vor. Damit soll auch eine ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums gefördert werden. Mit einer Gesamtkreditsumme von 110 Millionen US-Dollar, so die UTT, könnten rund 2.000 Familien in den Besitz von je einem Hektar Land samt Produktionsinfrastruktur und Wohnraum kommen.
Wirtschaftliche Unabhängigkeit sei der Schlüssel, um der Gewaltspirale entkommen zu können. Auch deshalb kämpfe die Gewerkschaft für das Gesetz. "Für Frauen ist es noch schwieriger, Zugang zu Land zu bekommen, weil diese Geschäfte meist von Männern gemacht werden", erklärt Julie
Die UTT geht davon aus, dass mit einem erleichterten Zugang für Landarbeiter:innen zu eigenem Grund und Boden viele Probleme der industriellen Landwirtschaft gelöst würden, darunter die Hyperkonzentration, die Spekulation mit Lebensmittelpreisen, die Umweltverschmutzung und informelle oder feudale Arbeitsverhältnisse.
Laut Daten der Gewerkschaft befinden sich lediglich 13 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Händen kleiner Produzenten. Diese sind jedoch für die Herstellung von 60 Prozent der Lebensmittel verantwortlich, die am argentinischen Binnenmarkt zirkulieren. Dagegen kontrolliert ein Prozent der landwirtschaftlichen Unternehmen 36 Prozent der zur Verfügung stehenden Nutzfläche.