Kolumbien: Killer schießt auf deutsche Sympathisantin der Proteste in Cali

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Sprößer mit Widerständler:innen am Monument des Widerstands in Cali
Sprößer mit Widerständler:innen am Monument des Widerstands in Cali

Cali. Die Frankfurterin Rebecca Linda Marlene Sprößer hat am Donnerstag in Cali ein Attentat überlebt. Ihr kolumbianischer Freund schwebt zwischen Leben und Tod. Die 34-Jährige begleitet die Proteste seit drei Monaten. Sie hat dabei selbst aufgezeichnete Videos über die Gewalt gegen die Protestierenden in den Social Media veröffentlicht und an Medien geschickt. Ende Juni hatte sie Todesdrohungen bekommen, nachdem sie ein kritisches Gespräch mit einer Gruppe von Polizisten gepostet hatte.

Am Donnerstag saß Sprößer mit einem Freund an einem öffentlichen Ort. Der Killer ging unvermittelt auf sie zu und hörte nicht auf zu schießen, bis seine Waffe leer war, so Sprößer. Der Freund hat alle 13 Schüsse abbekommen. "Wäre er nicht gewesen, wäre ich jetzt tot", schrieb sie auf Facebook. Die Schüsse streiften sie und hinterließen leichte Wunden.

Sprößer reiste im März als Touristin nach Cali, um Salsa zu lernen und wollte zwei Wochen bleiben. "Ich habe mich komplett in die Leute von Cali und ihre Lebensweise verliebt. Deshalb entschied ich, doch länger zu bleiben", erzählte sie in einer Reportage über sie im Leitmedium El Espectador.

Sie nahm vom ersten Tag des Generalstreiks an den Protesten teil und unterstützte die Aktivist:innen der "Erste Linien" vor allem in "Puerto Resistencia" (Hafen des Widerstands). Die Erste Linien sind Jugendliche mit Helmen, Schutzbrillen und Schildern, die die anderen Protestierenden vor der Polizei schützen. In Interviews mit kolumbianischen, spanischen und deutschen Medien wie der Frankfurter Rundschau und dem WDR prangerte sie die Exzesse der Polizei an.

Ende Juni, ein Tag nachdem sie einer Gruppe von Polizisten kritische Fragen gestellt hatte und sie dabei aufzeichnete, bekam sie einen anonymen Anruf. "Sie sagten, sie würden mich verschleppen, töten, verschwinden lassen und dass sie den Demonstranten die Schuld dafür geben würden", sagte sie gegenüber El Espectador. "Ihnen sei scheißegal, was die deutsche Botschaft dazu sagt", hätten sie ihr auch mitgeteilt, berichtete Sprößer auf Facebook. Auch die kolumbianische Freundin, die sie bei dem Gespräch mit den Polizisten begleitete, bekam an dem Tag Todesdrohungen.

Per Instagram erhielt Sprößer Hass-Nachrichten, die sie als eine "Ratte der Drogenentführer und Guerilleros" bezeichneten, die "Kinder vergewaltigen". Sie habe keine Anzeige erstattet, weil sie nicht an die kolumbianischen Institutionen glaube, erklärte sie. Einige Tage später haben Personen auf einem Motorrad versucht, ihr die Tasche und das Handy zu entreißen. Sie hielt ihre Sachen fest und wurde einige Meter mitschleppt, bis sie auf den Boden prallte. Das Motorrad verschwand.

Parallel dazu haben Unbekannte in einem anderen Stadtteil auf Sprößers Freundin auch von einem Motorrad aus geschossen. Sie wurde schwer verletzt und musste ins Krankenhaus.

Vom regierungsnahen kolumbianischen Radiosender "La FM" wurde die Frau wenige Tage vor dem Attentat am Ende eines Interviews angefeindet. Der Journalist Luis Carlos Vélez fragte sie, was in Deutschland passieren würde, wenn "ein Demonstrant einem Polizist ins Gesicht schlägt". Sprößer antwortete, er würde festgenommen und der Justiz vorgeführt. "Und wenn das so ist in Deutschland, warum kommen Sie in mein Land und machen das, oder nehmen an Gruppen Teil, die so was machen?", fragte Vélez. Sie entgegnete, dass die Protestierenden, die sie seit drei Monate begleitet, friedlich seien.

"Können Sie sich vorstellen, dass eine Gruppe von Personen die Vororte von München besetzt und Polizisten verbrennt?", fragte der Journalist weiter und antwortete selbst: "Das ist gravierend, sehr gravierend". Ohne sie antworten zu lassen, fügte er hinzu: "Es ist sehr gravierend, dass Leute wie Sie in mein Land kommen und das tun, wozu sie in ihrem Land nicht fähig sind."

Nach dem Attentat gab es eine Welle von Kritiken an Vélez. Er habe Sprößer stigmatisiert und ein paar Tage später würde sie zum Opfer eines Attentats, klagte die linke Stadträtin Heidy Sánchez. "Einige sprechen am Mikrophon Anschuldigungen aus und andere schießen".

Aktuell befinde sich die junge Deutsche "an einem sicheren Ort", informiert El Espectador. "Ich will hier bleiben, aber es scheint unmöglich. Alle sagen mir, ich soll lieber das Land verlassen".