Bolivien / Politik

Bolivien will gründliche Aufklärung der OAS-Verantwortung beim Putsch von 2019

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Boliviens Justizminister Iván Lima Magne
Boliviens Justizminister Iván Lima Magne

Washington. Die Regierung von Bolivien hat am Mittwoch in einer außerordentlichen Sitzung des Ständigen Rats der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ihre Vorwürfe gegen den OAS-Generalsekretär Luis Almagro vorgetragen. Die von dessen Büro behaupteten Hinweise auf Betrug bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Oktober 2019 spielten eine maßgebliche Rolle bei den Unruhen und dem folgenden Staatsstreich in dem südamerikanischen Land.

Die Politikerin Jeanine Añez übernahm die Regierungsführung und formalisierte die Macht im Rahmen von Vereinbarungen, die von der katholischen Kirche und der Europäischen Union unterstützt wurden. Militär und Polizei schlugen die Proteste zur Unterstützung von Präsident Evo Morales blutig nieder.

Bei der Sitzung am Mittwoch referierten der ständige Vertreter Boliviens bei der OAS, Botschafter Diego Pary, Justizminister Iván Lima Magne und Außenminister Rogelio Mayta Mayta über den Stand der Untersuchungen der zuständigen bolivianischen Institutionen. Eine zentrale Rolle spielte auch ein Gutachten der Universität von Salamanca, Spanien. Darin wird festgestellt, dass die Wahldaten 2019 nicht manipuliert worden seien. Die Prozessabläufe bei den Datenbanken, bei der Übermittlung der vorläufigen Wahlergebnisse und der amtlichen Auszählung seien völlig unabhängig voneinander gewesen.

Ein Wahlprüfungsbericht, den das Büro von Almagro seinerzeit vor der endgültigen Auszählung herausgab, behauptete "Unregelmäßigkeiten" bei der Auszählung und befeuerte damit gewaltsame Unruhen von rechten Kräften in Bolivien. Polizei und Militär zogen sich aus ihren Schutzaufgaben für Mitglieder der Morales-Regierung zurück. Mitglieder und Familien der regierenden Partei Bewegung zum Sozialismus (MAS) wurden von rechten paramilitärischen Kräften bedroht und angegriffen. Nachdem die Militärführung Morales zum Rücktritt aufforderte, verließ dieser das Amt und das Land.

Außenminister Diego Mayta und Justizminister Iván Lima zeigten sich nach der Sitzung des Ständigen Rats der OAS zufrieden. Man habe die Einmischung Almagros in die inneren Angelegenheiten Boliviens angeprangert. Bei der Sitzung sei Almagro isoliert gewesen, "er wurde praktisch allein gelassen, ohne die Unterstützung irgendeines Staates, niemand gab ihm irgendeine Unterstützung oder Rückendeckung", sagte Mayta.

Es sei auch "kein Gegenargument" von Almagro oder anderen Akteuren, die an der virtuellen Sitzung teilnahmen, zu den Gründen vorgebracht worden, mit denen die Rolle der OAS-Generalsekretärs bei den Wahlen von 2019 angeprangert wurde.

Tage zuvor hatte Almagro noch öffentlich geäußert, dass er die Anschuldigungen für "abscheulich" halte. Er bekräftigte gleichzeitig seine anhaltende Unterstützung für den von der OAS erstellten Wahlprüfungsbericht.

Justizminister Lima wendete sich in der virtuellen Sitzung direkt an Almagro: Die bisherigen Untersuchungen zeigten, "dass Ihr Handeln einer der Auslöser für die politische Krise war, die wir 2019 erlebten. Sie tragen Verantwortung für die Auslösung der Krise, für den Zusammenbruch der verfassungsmäßigen Ordnung, den wir erlitten haben, und auch für die schweren Menschenrechtsverletzungen, die in diesem dunklen Jahr 2019 begangen wurden. Dass Sie damals zumindest fahrlässig, wenn nicht gar böswillig gehandelt haben."

Und weiter: "Bolivien hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, und warum dieser vorläufige Bericht am 10. November um vier Uhr morgens veröffentlicht wurde, das werden wir vor die Gerichte, Instanzen und Foren bringen, die notwendig sind", kündigte Lima an und erklärte, dass noch geprüft werde, an welche Instanz genau Bolivien sich wenden werde.

Der frühere Präsident von Bolivien (2001–2002), Jorge Quiroga, dem auch eine Anklage wegen Putschbeteiligung droht, beurteilte indes die Position der bolivianischen Regierung bei der OAS-Ratssitzung anders. "Niederlage für MAS“, so der Rechtspolitiker auf seinem Twitter-Account. Bei der Zurückweisung des OAS-Wahlberichts von 2019 seien der bolivianischen Regierung "nur drei Länder gefolgt". Ansonsten sei bestätigt worden, dass die OAS das Recht hatte, einen vorläufigen Bericht auch vor der endgültigen Auszählung der Stimmen auszugeben. Eine Klärung der Aussagen des Berichts bedeutet diese Formalie offensichtlich nicht.