Managua. Rund einen Monat vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen hat die Nationalversammlung von Nicaragua mit der Änderung des Organgesetzes der Legislative (Ley 606) eine Einschränkung der Rechte von Abgeordneten beschlossen. Bisher galt, dass die Rechte von Abgeordneten suspendiert wurden, wenn sie nach der Aufhebung ihrer Immunität (von einem Gericht) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden oder ihnen für die Dauer der Verurteilung das Mandat entzogen wurde. Zukünftig sollen Abgeordnetenrechte bereits suspendiert werden, wenn nach der Aufhebung der Immunität auf Grund einer vermutlich begangenen Straftat gegen sie ermittelt wird.
Die Gesetzesänderung wurde von den Abgeordneten der sandinistischen Partei (FSLN), der Liberalen Allianz Nicaraguas und der Unabhängigen Liberalen Partei mit 74 Stimmen beschlossen. 16 Abgeordnete von anderen Parteien votierten dagegen.
Maximino Rodríguez von der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) erklärte, die Änderung von Artikel 23 verletze den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Die Entscheidung sei ein "schlechtes Omen für die Rechtsstaatlichkeit". Die Änderung stehe auch im Gegensatz zur Verfassung. Erst die Verurteilung zu einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder wegen eines Verbrechens, das eine schwere Strafe nach sich zieht, dürfe zum Verlust des Mandats führen, so Rodríguez.
Im Rahmen der Debatte um das Gesetz vertraten Kritiker die Ansicht, die Gesetzesänderung sei eine Form der Repression, die als "Waffe" gegen Parlamentarier eingesetzt werden könne. Sandinistische Abgeordnete erklärten, die Änderung entspreche einer Maßnahme für mehr Anstand vor dem Parlament. Wálmaro Gutiérrez von der FSLN betonte, dass Abgeordnete sich nun nicht mehr hinter dem Deckmantel der Immunität verstecken könnten, um sich nicht für Straftaten verantworten zu müssen.
Außer der Änderung der Abgeordnetenrechte bei Ermittlungen wurde mit der Änderung von Gesetz 606 auch die Parlamentspause in den Monaten Juli und August abgeschafft. Zukünftig haben die Parlamentarier nur noch eine Sitzungspause vom 16. Dezember bis zum 8. Januar des Folgejahres. Die Frist für die Einberufung der Versammlung und die Änderung des Tagungsortes wurde von 48 auf 24 Stunden verkürzt.
Ebenfalls wurde die Zahl der Arbeitstage in den ständigen Ausschüssen verringert. Der FSLN-Fraktionsführer Edwin Castro hatte für das Vorhaben mit der Aussage geworben, dass die Staatsmacht in einer so dynamischen Zeit nicht in einer "unnötigen gesetzgebenden Bürokratie" stecken bleiben dürfe.